Ukraine in der Krise Wohin steuert das Land?
03.04.2007, 15:53 UhrMit der Auflösung des Parlaments durch Präsident Viktor Juschtschenko ist die schwere politische Krise in der Ukraine mit einem Schlag ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Der Machtkampf zwischen Juschtschenko und seinem Rivalen, Ministerpräsident Viktor Janukowitsch, schwelt seit Monaten. Nun stellt sich die Frage, auf welchem Weg das osteuropäische Land vor den Toren der Europäischen Union aus der politisch brisanten Lage entkommen kann.
Am Dienstag schienen die Juschtschenko-Gegner im Parlament dem Präsidenten zunächst zu trotzen - ungeachtet des Dekrets zur Auflösung der Volksvertretung kamen sie zusammen. Sollten sie sich weiterhin der Anweisung widersetzen, müsste das Verfassungsgericht aktiv werden. Bis es zu einer Entscheidung kommt, könnten jedoch Monate vergehen - die Ukraine würde im politischen Stillstand verharren, der Unmut in der Bevölkerung dürfte wachsen. Möglicherweise würden die Menschen in Kiew erneut zu tausenden auf die Straßen gehen, wie bei der "Orangenen Revolution" vor drei Jahren.
Ein Schritt nach vorn wäre hingegen, wenn sich die Seiten auf Neuwahlen verständigten. In diesem Fall würden wohl die Anhänger Janukowitschs einen Block bilden und gegen die Unterstützer Juschtschenkos antreten. Sollte das Lager des pro-russischen Ministerpräsidenten als Sieger aus der Wahl hervorgehen, dürfte sich die Ukraine mehr zu Russland hin-und von Europa wegbewegen.
Allerdings könnten sich auch die derzeit mehr im Hintergrund agierende, charismatische Julia Timoschenko und Juschtschenko zusammenschließen und sich damit möglicherweise einen Wahlsieg sichern, wodurch sich die Ukraine deutlich mehr nach Westen ausrichten dürfte.
Beobachter rechnen im Moment damit, dass sowohl Timoschenko als auch Juschtschenko gestärkt aus der Krise hervorgehen. Timoschenko, die Frau mit dem charakteristischen Haarkranz, fristet seit den letzten Wahlen vor einem Jahr in der Opposition und wartet auf eine Gelegenheit, ins Rampenlicht zurückzukehren. Juschtschenko wurde in der letzten Zeit vorgeworfen, zu zögerlich zu sein. Mit der Anordnung, das Parlament aufzulösen, hat er nun Entschlusskraft gezeigt. Sein Durchsetzungsvermögen ist auf die Probe gestellt.
Sollten die 48 Millionen Menschen im flächenmäßig zweitgrößten Staat Europas bei Neuwahlen keiner der Seiten eine deutliche Mehrheit geben, droht das womöglich schlimmste Szenario: Weiterhin politischer Stillstand, Querelen und Machtkämpfe im Parlament. Es würde kaum eine Chance geben auf eine langfristige politische Strategie, die wirtschaftliche Entwicklung dürfte erheblichen Schaden nehmen.
von Olena Horodetska, Reuters
Quelle: ntv.de