Besser - aber nicht gut genug "Zäsur für die SPD"
07.09.2008, 16:08 UhrMüntefering war die einzige Alternative für die SPD, meint der Berliner Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer. Nur er werde der Partei klar machen können, dass es darauf ankommt, gemeinsam den politischen Gegner und nicht den Parteifreund zu attackieren. Mit Müntefering als Chef und Steinmeier als Kanzlerkandidat habe die SPD nun ein starkes Duo: Die Bundestagswahl 2009 wird wieder spannend.
n-tv.de: Ist das heute ein Wendepunkt für die SPD? Wird die Partei ihre Depression mit dem neuen Führungsduo überwinden und auch in der Wählergunst wieder an Zustimmung gewinnen?
Oskar Niedermayer: Es ist auf alle Fälle eine Zäsur. Die SPD befindet sich tatsächlich in einer Krise. Vermutlich eine der größten der letzten Jahrzehnte. Ob sich nun ein Aufsteigen in den Umfragewerten einstellt, muss sich noch zeigen. Ich glaube aber schon, dass die Chancen dafür gut stehen, da jetzt endlich mal Klarheit geschaffen wurde, insbesondere über den Kanzlerkandidaten.
Kanzlerkandidat Steinmeier, das hatte man in den letzten Tagen ja erwartet. Aber ist nicht die eigentliche Überraschung, dass Müntefering an die SPD-Spitze zurückkehren wird?
Ja, das ist richtig. Wenn Beck aber nicht mehr wollte oder nicht mehr durfte, ist Müntefering die einzige Alternative.
Wird er die Partei einen und ein Gefühl der "Geschlossenheit" vermitteln können?
Müntefering ist auf jeden Fall der Einzige, der der Partei wieder zu neuer Kraft verhelfen kann. Dabei wird er weniger die Linken und die Rechten in der SPD versöhnen, dazu ist er vermutlich zu sehr Repräsentant eines dieser Lager. Aber er wird der Partei klarmachen können, dass die Zeit der Nabelschau vorbei ist und es nun darauf ankommt, sich auf den politischen Gegner zu konzentrieren.
M üntefering steht - inzwischen jedenfalls - im Lager der Reformer und klaren Befürworter der Agenda 2010. Wird die Linke in der SPD also an Einfluss verlieren?
Davon gehe ich aus. In welchem Maße, muss man sehen. Aber die öffentliche Präsenz der SPD-Linken bis zur Bundestagswahl 2009 wird abnehmen.
Was denken Sie: Ist Beck freiwillig gegangen oder wurde er hinausgedrängt?
Also, da kann ich nichts zu sagen. Ich weiß es nicht. Ich glaube aber eigentlich nicht, dass Müntefering aktiv den Sturz von Beck vorbereitet und betrieben hat. Es könnte durchaus auch sein, dass Beck seinem Naturell entsprechend gesagt hat: "Jetzt ist mir das alles zu viel. Ich werfe hin."
Das wäre nachvollziehbar. Aber kann Beck dann als Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz einfach weiter machen, als sei nichts gewesen?
Nun, die politischen Probleme, die Beck im Bund, auf der politischen Bühne in Berlin hatte, haben ja zum Teil schon auf Rheinland-Pfalz abgefärbt, wie die Umfragen für das Bundesland zeigen. Aber ich glaube, wenn er sich jetzt wieder auf das Amt als Ministerpräsident konzentriert - bei dem Vertrauensvorschuss, den er in Mainz hatte -, könnte er das Tief überwinden.
Blick nach Hessen: Ist ein rot-grünes Bündnis unter Tolerierung der Linken und mit Frau Ypsilanti an der Spitze jetzt noch eine Option?
Mit hoher Wahrscheinlichkeit. Weder Beck, noch Steinmeier, noch Müntefering können Frau Ypsilanti zwingen, etwas zu tun oder etwas zu lassen. Es ist seit Jahrzehnten gute Tradition in der SPD, dass die Landesverbände selbst über Koalitionen entscheiden. Man kann von der Bundesspitze her nur beraten und Empfehlungen aussprechen. Aber das hat man bisher ja auch wiederholt schon getan. Insofern denke ich, dass auch das neue Führungsduo da nichts wird machen können - und Frau Ypsilanti ihren Kurs durchzieht.
Gut, aber Beck hat in dieser Frage mehrmals seine Position gewechselt, erst in den letzten Wochen äußerte er sich distanziert zu einer Tolerierung durch die Linken.
Das stimmt, aber er ist damit nicht angekommen in Hessen. Und auch Müntefering wird da nichts machen können. Im Übrigen werden auch die anderen Landesverbände eine Nicht-Einmischung durch die Bundesspitze einfordern und sagen: "Das ist unser Bier".
Also in Hessen bleibt es spannend. Gilt das jetzt auch wieder für die Bundestagswahl 2009?
Sie wird zumindest spannender, als noch vor wenigen Stunden gedacht. Eine Kanzlerkandidatur von Frank-Walter Steinmeier bietet der SPD größere Chancen, als dies eine Kandidatur von Beck getan hätte, da muss man nicht drumrumreden. Aber natürlich ist die Wahl für die SPD keinesfalls gewonnen. Die Aussichten sind etwas besser geworden. Aber wenn wir ehrlich sind: Sie sind immer noch nicht besonders gut.
Quelle: ntv.de, Mit Oskar Niedermayer sprach Tilman Aretz