Dossier

"Wilde Farbdebatten" in Grün Zucken nach links

Bei den Grünen ist es mit der selbstverordneten Ruhe in den laufenden Wahlkämpfen vorbei. Noch bei der Fraktionsklausur in Wörlitz Anfang des Jahres hatte Parteichef Reinhard Bütikofer dazu aufgerufen, jetzt nicht gegeneinander zu agieren. Aber nach der Wahl in Hessen, die für die Grünen so enttäuschend und für die Konkurrenz von der Linken so erfolgreich verlief, ist von Geschlossenheit bei der kleinsten Oppositionskraft nicht mehr viel zu spüren.

Als erster führender Grüner rät nun der Vizechef der Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin, zu prinzipieller Freundlichkeit gegenüber den Linken. Falls es nach der Landtagswahl im nächsten Jahr im Saarland zu rot-roten Koalitionsverhandlungen komme, sollten die Grünen mitverhandeln, empfiehlt der ehemalige Bundesumweltminister. Fraktionschef Fritz Kuhn daraufhin: "Wenn Jürgen Trittin am Spekulieren Freude hat, sollte er es doch mal an der Börse probieren."

Suche nach alternativen Optionen

Tatsächlich müssen die Grünen in der Heimat des Linken-Parteichefs Oskar Lafontaine um den Wiedereinzug ins Landesparlament bangen. Landeschef Hubert Ulrich zeigte sich denn auch vergrätzt: "Mit wem wir koalieren oder nicht, entscheidet ein Landesparteitag der saarländischen Grünen zu gegebener Zeit und nicht Jürgen Trittin anderthalb Jahre vor einer Landtagswahl." Andere vermuten, der Ex-Umweltminister wolle sich als Spitzenkandidat der Grünen für die Bundestagswahl in Stellung bringen.

Klar ist: Der Einzug der Linken in die Landtage von Hessen und Niedersachsen gefährdet den Rot-Grün-Kurs, auf den sich die Grünen zuletzt wieder deutlicher festgelegt hatten. Der Ruf nach anderen Optionen wird deshalb lauter. Fraktionsvize Krista Sager etwa kämpft für Rot-Grün bei der anstehenden Wahl in Hamburg, würde sich einem Gespräch mit CDU-Bürgermeister Ole von Beust aber auch nicht verweigern und ist dagegen, die Linken grundsätzlich als Schmuddelkinder zu behandeln. Fraktionsvize Christian Ströbele sagt: "Rot-Rot-Grün darf nicht auf ewig ein Tabu sein."

Unbestimmte Zukunft

Die Parteispitze reagiert mit einer deutlichen Mahnung auf die Bündnisdebatte. "Wilde Farbdebatten, egal ob Schwarz-Grün oder Rot-Rot-Grün, bringen uns nicht weiter", sagt Parteichefin Claudia Roth. "Niemand weiß, was die Zukunft bringt." Angesichts teils bürgerlicher Wählermilieus und linker Grundverortung wird den Grünen der Richtungs-Spagat im Fünf-Parteien-System erhalten bleiben.

Außerhalb der Hauptstadt wächst aber der Unmut über Diskussionen, die als rein strategisch empfunden werden. Viele wollen die Grünen lieber als spannend und markant auftretende Partei gegen Klimawandel und Ungerechtigkeit in Stellung bringen und sehen sich mitunter von den altgedienten Spitzenleuten gehemmt.

"Verdiente Leute erwecken öffentlich den Eindruck, dass sie als alte Grabenkämpfer im Jahre 2009 noch einmal ihren Ministergräbern entsteigen wollen", sagt zum Beispiel die sächsische Grünen-Fraktionsvorsitzende Antje Hermenau. Und auch Boris Palmer, grüner Oberbürgermeister von Tübingen, rät zu einem strikt inhaltlichen Kurs: "Ich plädiere dafür, Offenheit zu zeigen für Koalitionen, die wesentliche grüne Inhalte mittragen - mit welchem Partner ist dann zweitrangig."

Von Basil Wegener, dpa

Quelle: ntv.de

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