Dossier

Fußball-WM tabu in Somalia Zuschauen nur unter Lebensgefahr

Radikalislamische Milizen kontrollieren das Land.

Radikalislamische Milizen kontrollieren das Land.

Die radikalislamischen Shebab-Milizen verbieten jede Form der Unterhaltung in Somalia. So ist die WM für viele nur ein ferner Traum. Wenige trotzen den Verboten und riskieren ihr Leben.

Während auf der ganzen Welt Millionen Menschen den Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika gefeiert haben, können Fans im ostafrikanischen Somalia das Großereignis wenn überhaupt, dann nur klammheimlich verfolgen - oftmals sogar unter Lebensgefahr. Denn im Großteil des Landes haben die radikalislamischen Shebab-Milizen die Kontrolle. Und die haben nicht nur Kinos und DVDs verboten, sondern auch allgemein jede Form der Unterhaltung.

"Die Weltmeisterschaft ist ein historisches Ereignis, aber in Somalia werden wegen der Restriktionen der Islamisten nur sehr wenige Leute sie sehen können", klagt Abdi Ali Yarisow aus dem Distrikt Waberi im Süden der Hauptstadt Mogadischu. Es werde weder sogenanntes public viewing geben noch seien Versammlungen von Fans erlaubt, die ein Match sehen wollten.

Jubeln ist zu riskant

Die wenigen Glücklichen, die eine Satelliten-Verbindung für ihren Fernseher haben, werden nichts riskieren wollen, indem sie Freunde zum Fußball-Gucken einladen. Eher werden sie mit einem Auge ein Spiel verfolgen, mit dem anderen aber angstvoll die Haustür beobachten. Zu ihnen gehört Yarisow, und auch er wird nicht viele Bekannte in sein Haus lassen. "Wenn alle aufgeregt sind und anfangen zu schreien, bekomme ich Schwierigkeiten", sagt er. "Vielleicht kann ich ein paar Leute tagsüber einlassen, wir werden uns dann in mein Zimmer setzen und das Spiel schweigend anschauen."

K'Naan ist gebürtiger Somalier und darf von seinen Landsleute nicht bejubelt werden.

K'Naan ist gebürtiger Somalier und darf von seinen Landsleute nicht bejubelt werden.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Mogadischu gilt als eine der gefährlichsten Städte der Welt. Somalia war das einzige Land, durch das der WM-Pokal bei seiner Reise durch Afrika nicht tourte. Die somalischen Kicker hatten nie eine reale Chance, sich für die Weltmeisterschaft zu qualifizieren. Mit dem Hip-Hopper K'naan hatte das kriegszerstörte Land zwar wenigstens einen Vertreter in Südafrika. Der in Mogadischu geborene Künstler, der in Kanada lebt, sang beim großen Konzert am Vorabend des ersten WM-Spiels. Doch sehen konnten ihn seine Landsleute nicht.

"Es ist sehr enttäuschend. Wir haben unseren jungen Rapper K'naan, der bei dem großen Event singt, und wir, seine Mitbürger können ihm noch nicht einmal zuschauen", bedauert die 26-jährige Kadro Alas aus Mogadischu. Doch als Hip-Hopper und Fußball-Liebhaber mit westlichem Lebensstil vereint K'naan praktisch alle "Übel", gegen die die Religionspolizei der Shebab vorgeht.

"Sport macht Menschen blind für Allah"

"Fußball ist nichts anderes als Zeitverschwendung", sagt der Shebab-Vertreter Sheikh Mohamed Ibrahim. "Wissen Sie nicht, dass Allah Sie fragen wird, womit Sie Ihre Zeit verbracht haben, wenn der Tod kommt?" Wer Sport brauche, könne sich selber betätigen, aber ein Spiel im Fernsehen zu sehen, sei im Islam verboten. "Dieser Sport soll die jungen Generationen blind machen und sie davon abhalten, Allah durch gute Taten zu ehren", sagt der Kleriker.

Allen Drohungen zum Trotz wollen zwei Kinos die WM übertragen. Sie liegen in dem kleinen Teil von Mogadischu, der von der international unterstützten, aber weitgehend machtlosen Übergangsregierung kontrolliert wird. "Wir werden die Spiele zeigen und ich bin sicher, dass viele junge Männer aus der Gegend kommen werden", sagt Abdi Mohamed vom Cinema Mogadishu im Stadtteil Medina. Die Leinwand des Lichtspiels gibt es nicht mehr, stattdessen werden mehrere Fernsehapparate aufgestellt, um die sich die Zuschauer in Grüppchen scharen. Mehrfach sei das Kino, das noch aus der Zeit des früheren Machthabers Siad Barre stammt, mit Handgranaten angegriffen worden, berichtet Mohamed. "Aber es ist das einzige Kino, das in Medina noch läuft, wir haben der Einschüchterung widerstanden."

Für die Bewohner der benachbarten Stadtteile wird Cinema Mogadishu wohl ein ferner Traum bleiben. Zu gefährlich ist es vor allem nach Anbruch der Dunkelheit, Frontlinien zu überqueren und Militärkontrollen zu passieren. Kadro Alas aber ist entschlossen, ihr Leben zu riskieren, um ihren Favoriten Brasilien zu sehen. "Ich werde alles tun. Ich werde einfach nicht aufhören, einen Ort zu suchen, an dem ich die Spiele schauen kann. Brasilien zu verpassen, wäre das Schlimmste, was mir geschehen könnte", sagt die junge Frau.

Quelle: ntv.de, Mustafa Haji Abdinur, AFP

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