Keine täglichen Autobomben mehr Zuversicht in Bagdad und Basra
04.07.2008, 12:03 UhrWer sich vor sechs Monaten nachts mit einem Lastwagen auf die Straße wagte, die Iraks südlichste Stadt Basra mit Bagdad verbindet, musste Nerven aus Stahl haben oder lebensmüde sein. Seit der Offensive gegen schiitische Milizionäre und kriminelle Banden im Süden, die im März in Basra begonnen hatte, ist die Landstraße nachts wieder relativ sicher. Die Zahl der Morde im Stadtgebiet ist laut einem internen Polizeibericht um 95 Prozent gesunken. Auf den Straßen sieht man kaum noch Zivilisten, die Waffen tragen. Dafür wurde die Zahl der Polizisten um 7000 auf 24.000 aufgestockt.
Positive Signale
Auch in Bagdad, wo die Menschen wegen der miserablen Stromversorgung bei Sommertemperaturen von mehr als 40 Grad ihre Kühlschränke und Klimaanlagen mit Generatoren betreiben müssen, spürt man Zuversicht. "Endlich ist die Zeit der Massenentführungen und täglichen Autobomben vorbei", sagt Professor Thair Ali, der an der Akademie der Schönen Künste lehrt. Auch die Tatsache, dass die Regierung inzwischen konkret mit ausländischen Konzernen über Verträge zur Modernisierung der Ölindustrie und zur Steigerung der Produktionskapazität auf den bekannten und neu zu erschließenden Ölfeldern verhandelt, wird von den meisten Irakern als positives Signal gewertet.
Die Gründe für die Verbesserung der Sicherheitslage im Irak sind vielfältig. "Die irakische Armee ist inzwischen besser ausgerüstet und hat ihre geheimdienstliche Aufklärungsarbeit ausgebaut. Außerdem konnten die Stammesführer und viele Bürger (in den Kampf gegen Terroristen) eingebunden werden", sagt Mohammed al-Askari, der Sprecher des Verteidigungsministeriums. "Die Gefahr eines Bürgerkrieges ist ein für alle Mal gebannt", konstatiert der Generalmajor. Dies haben die Iraker seiner Ansicht nach auch US-General David Petraeus zu verdanken, der die Stärkung der irakischen Armee zu einem seiner Hauptanliegen gemacht habe.
Unabhängige Beobachter machen allerdings noch eine andere Säule der Petraeus-Strategie für die jüngsten Erfolge im Kampf gegen Terroristen im Irak verantwortlich: Mit viel, viel Geld haben die Amerikaner in den vergangenen Wochen irakische Zivilisten, die von sunnitischen Stammesführern rekrutiert wurden, motiviert, sich vom "nationalen Widerstand" abzuwenden und stattdessen gegen El-Kaida-Terroristen zu kämpfen. Ladenbesitzern in vormals gefährlichen Vierteln griff die US-Armee finanziell unter die Arme. Auch Ministerien und Beamte profitierten zum Teil von Projekten, mit denen die Amerikaner Vertrauen und Unterstützung gewinnen wollten.
Hoffung auf nationale Versöhnung
Doch dieser Geldregen muss eines Tages zwangsläufig ein Ende finden. Und was kommt dann? Sollte sich an der Korruption, die im Irak auch auf höchster Ebene omnipräsent ist, bis dahin nichts geändert haben, ist unwahrscheinlich, dass der Staat in die Bresche springen wird. Pessimisten rechnen dann mit einem Rückfall in die Barbarei der vergangenen Jahre. Optimisten hoffen, dass die nationale Versöhnung bis dahin so weit gediehen ist, dass finanziellen Anreize nicht mehr nötig sein werden, um die Menschen an Euphrat und Tigris davon abzuhalten, ihre ideologischen, ethnischen und religiösen Differenzen mit Waffengewalt auszutragen.
Anne-Beatrice Clasmann, dpa
Quelle: ntv.de