Dossier

"Daran sind wir gewöhnt" Zweites Referendum in Irland?

Die Spuren des irischen Referendums über den EU- Reformvertrag sind auch vier Wochen danach noch sichtbar. Hier und da prangen noch immer Plakate der EU-Gegner. "Europa ist gut für Irland gewesen. Lassen wir es so..." steht in dicken Buchstaben auf einem Poster in einem Pendlerzug zwischen Dublin und der Universitätsstadt Maynooth geschrieben. Auch in den Pubs des kleinen, 20 Kilometer westlich der Hauptstadt gelegenen Ortes entflammen weiterhin hitzige Debatten, sobald die Sprache auf das irische Nein bei der Volksabstimmung vom 12. Juni kommt.

"Demokratisch eine Lüge"

Vor allem der Vorschlag führender europäischer Politiker, in einigen Monaten ein zweites Referendum abzuhalten, beschäftigt die Iren. "Demokratisch gesehen wäre es eine Lüge", sagt Harry Wilkinson. "Allerdings würde es der Regierung die Möglichkeit geben, uns den Vertrag von Lissabon endlich ordentlich zu erklären." Fünf Jahre lang lebte der 32-Jährige in Hamburg, kehrte im vergangenen Jahr aber auf die grüne Insel zurück, um in Maynooth seinen Master nachzuholen.

Obwohl er sich als Pro-Europäer bezeichnet, bedauert er das Nein nicht. "Jetzt können wir darüber diskutieren, was für ein Europa wir wollen." Die Integrationspläne der EU gehen ihm eindeutig zu weit. "Wir brauchen keine Vereinigten Staaten von Europa, die von einem Präsidenten vertreten werden, der für alle Mitgliedstaaten spricht." Die EU solle sich darauf konzentrieren, eine ökonomische Union zu bleiben. Trotzdem will er mit Ja stimmen, sollte es zu einem zweiten Votum kommen.

80 Prozent der Iren wollen in die EU

Dieser scheinbare Widerspruch ist bezeichnend für die Iren. Einer repräsentativen Meinungsumfrage zufolge befürworten 80 Prozent derjenigen, die gegen den Reformvertrag stimmten, eine Mitgliedschaft Irlands in der EU. Dass die Volksabstimmung dennoch scheiterte, erklärt sich eine Freundin von Wilkinson, die für die Regierung in Dublin arbeitet, so: "Die Iren sind egoistisch. Im "Lissabonner Vertrag" war für sie selbst nichts drin. Es ging nur um Institutionen, Kommissare und Rotation."

Besonders die jungen Leute lehnten das Reformwerk ab. So auch die Tochter von Kathleen Fahy. Sie und ihr Mann stimmten dagegen mit Ja. Aus einem ganz einfach Grund: "Der Führer der Nein-Kampagne war der Sinn-Fein-Chef Gerry Adams, und mit ihm konnte ich auf keinen Fall stimmen." Die Frau Anfang 50 führt in den Sommermonaten eine Pension in Galway im Westen des Landes. Im Winter geht sie auf die Universität. Eine mögliche zweite Abstimmung sieht sie pragmatisch. "Daran sind wir gewöhnt." Als die Iren 2001 gegen den "Nizza-Vertrag" votierten, zitierte die Regierung sie später erneut an die Urnen - diesmal mit positivem Ausgang.

"Nein" als Protest gegen Politiker

Bislang hat sich Premierminister Brian Cowen nicht dazu geäußert, wie er die Krise in seinem Land lösen will. Kritiker gehen jedoch davon aus, dass die Regierung bei einem zweiten Referendum wieder eine Schlappe hinnehmen muss. "Das Nein war vor allem ein Protest gegen die Arroganz der Politiker", meint Fahy. "Sie haben uns den Vertrag nicht erklärt, weil sie uns für zu dumm halten, um ihn zu verstehen."

Zugeständnisse an die Iren - wie mehr Geld für die Bauern sowie die Beibehaltung der Neutralität und des Steuersystems - werden die ablehnende Haltung deshalb wohl kaum ändern können. "Ich hasse die Idee einer neuen Abstimmung", sagt die 24-jährige Studentin Roisin O'Brien in Dublin. "Die Regierung kann doch nicht solange wählen lassen, bis sie das Ergebnis bekommt, was sie will."

Irena Güttel, dpa

Quelle: ntv.de

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