Dossier

Not schweißt zusammen Zwischenruf

Von Manfred Bleskin

Ob Coesfeld, Ochtrup oder Osnabrück, gleich, wo immer in diesen Tagen das normale Leben unter der Last der Schneemassen zusammenbricht, ist immer wieder von Nachbarschaftshilfe zu hören, von einem Gefühl der Zusammengehörigkeit, das sonst eher rar geworden ist in unserer Gesellschaft. Einer Gesellschaft in der viel häufiger der Ellbogen zum Einsatz kommt als das Herz.

Da wird von einem Bauern berichtet, der sein Notstromaggregat den neben ihm Wohnenden ausleiht, vom gewieften Heimtüftler, der nicht nur seine Elektroleitungen repariert, sondern die der Mitbürger von nebenan.

Da sitzen in einer Notunterkunft an einem Tisch gutbetuchte Bildungsbürger in Markenklamotten neben dem Vater mit seinen vier Kindern, dem man ansieht, dass er Hartz IV nicht unbedingt für eine Adaption der Bergpredigt auf die Jetztzeit hält. Alle sieben löffeln mit den gleichen Löffeln eine Bohnensuppe, die aus ein und derselben Gulaschkanone stammt. Unter anderen Bedingungen wären sich die beiden Seiten höchstens in einem Aldi-Markt begegnet, den sie aus höchst unterschiedlichen Gründen aufsuchen. Die einen, weil es en vogue ist, beim Discounter einzukaufen, die anderen, weil sie sonst nicht über die Runden kommen. Ohne einander Beachtung zu schenken. Nun plaudern sie, als ob es das Natürlichste der Welt wäre. Die Notunterkünfte sind zu einer Art Gastraum für das gemeinsame Abendmahl geworden.

Not macht nicht nur erfinderisch, Not schweißt auch zusammen.
Es wäre schön, wenn etwas davon übrig bleibt, wenn die Not wieder vorbei ist.

Quelle: ntv.de

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