Genialer Kleckser Pollock starb vor 50 Jahren
10.08.2006, 12:00 Uhr
'Untitled' (1946, Öl auf Papier) von Jackson Pollock (1866-1944)
(Foto: picture alliance / dpa)
Jackson Pollock hat seine Bilder gemalt, ohne sie zu berühren. "Jack der Tröpfler" ließ die Farbe von einem eingetrockneten Pinsel auf die am Boden festgenagelte Leinwand träufeln. Oder er bohrte ein Loch in einen Farbtopf und schwang diesen mit ausladenden Bewegungen über das Bild. Er hat die Farbe auch verspritzt, verschmiert, verkleckert und verschüttet, Sand und Glasscherben darunter gemischt und das Ergebnis anschließend noch zerkratzt und zertreten. Jeder einzelne dieser Ausbrüche ist heute viele Millionen wert. 50 Jahre nach seinem Unfalltod am 11. August 1956 gilt Pollock als größter US-amerikanischer Maler des 20. Jahrhunderts.
Das hat gewiss auch damit zu tun, dass er alle Klischees des verrückten Künstlergenies erfüllt: Richtig produktiv und gut ist er nur fünf Jahre gewesen, von 1946 bis 1951, und aus dieser Periode stechen noch einmal die Jahre 1949 und 1950 hervor - die einzigen, in denen er seine Alkoholsucht unter Kontrolle hatte. Die meiste Zeit war er entweder betrunken oder blockiert. Seine schöpferische Kraft entlud sich in Schüben: Als er einmal einen Großauftrag von der Mäzenin Peggy Guggenheim für ein sechs Meter langes Wandbild erhielt, begann er mit der Arbeit 15 Stunden vor dem Abgabetermin -und lieferte eines seiner brillantesten Werke ab.
Es ist bemerkenswert, dass Pollock schon während seines kurzen Lebens entdeckt und geschätzt wurde, obschon er alles dafür tat, um Förderer abzuschrecken. In nüchternem Zustand war er verschlossen und schweigsam, schon nach zwei Schnäpsen unerträglich. Dann warf er gedeckte Tische um, demolierte Bilder anderer Künstler, urinierte in Guggenheims Kamin, zerstörte Einrichtungen, prügelte sich oder drohte seiner Schwägerin mit ihrer Enthauptung. Vielleicht hat er sein Marlboro-Image als Wilder Mann des Westens - er kam aus Wyoming - aber auch gepflegt, um sich in New York interessant zu machen.
Nachdem er mal beim Psychoanalytiker auf der Couch gelegen hatte, legte er seine Kunst prompt als Äußerung unbewusster Kämpfe aus. Ganze Generationen von Kunsthistorikern haben davon gezehrt: Noch bis in die 90er Jahre führten Biografen die von ihm entwickelte Tröpfeltechnik auf einen Minderwertigkeitskomplex gegenüber seinem Vater zurück, der ihn angeblich einmal im Weitpinkeln übertroffen hatte.
Zu seinem großen Glück hatte Pollock eine Frau, die seine Exzesse bis kurz vor seinem Tod mit engelsgleicher Geduld ertrug, weil sie wusste, dass er dafür bestimmt war, in die Geschichte einzugehen. Lee Krasner (1908-1984) war selbst Künstlerin, stellte ihre eigene Arbeit aber völlig zurück und klapperte stattdessen für ihn die Galeristen ab. Sie war es auch, die ihn 1945 zu einem Umzug aufs Land nach Long Island bewegte, wo er fern von den Versuchungen der Großstadt in einem verriegelten Schuppen seiner Arbeit nachgehen konnte. Das unscheinbare Holzhaus ist heute eine Pilgerstätte.
1950 überredete ihn ein Fotograf, sich bei der Arbeit unter freiem Himmel filmen zu lassen. Dies widerstrebte ihm so sehr, dass er noch am selben Abend erstmals seit zwei Jahren wieder zur Flasche griff. Von nun an ging es bergab. 1952 gab er das Malen praktisch auf, 1956 fuhr er sich und eine Beifahrerin betrunken zu Tode. Er war 44 Jahre alt.
Quelle: ntv.de, Christoph Driessen, dpa