"Hast du einen Opa, ... ... schick ihn nach Europa"
14.09.2007, 20:32 UhrMonatelang rätselte das politische Bayern: Was wird aus Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) nach seinem Rücktritt Ende September? In seiner Partei kamen schon Befürchtungen auf, der chronische Unruheständler könnte ab Oktober von seinem staatlich finanzierten Münchner Pensionärsbüro aus ständig gegen die ungeliebten Nachfolger querschießen.
Denn der zum Rückzug gezwungene Stoiber fühlt sich trotz seiner fast 66 Jahre alles andere als pensionsreif. Nun ist das Rätsel gelöst: Er wird ehrenamtlicher Bürokratiebekämpfer in Brüssel.
Schick' Opa nach Europa
Ob das Stoibers Tatendrang befriedigt und künftige Querschüsse verhindert, ist ungewiss. Er wird in München bleiben und von dort aus periodisch nach Brüssel reisen. Spötter betonten sofort, dass der Kampf gegen die bayerische Bürokratie nicht zu Stoibers herausragenden Erfolgen zähle.
"Da wird der Bock zum Gärtner gemacht", sagte die Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause - und verwies boshaft auf die langjährige Funktion Brüssels als Austragsstüberl für abgehalfterte Politiker: "Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa."
"Endlager für Landespolitiker"
In der CSU erinnerte sich jeder sofort daran, dass Stoiber einst sogar EU-Kommissionspräsident hätte werden können. Nun wird er Leiter einer Art Expertenkommission ohne wirkliche Macht. Dazu kommen Stoibers mangelnde Fremdsprachenkenntnisse. Das sahen in der Vergangenheit auch CSU-Europapolitiker als Hinderungsgrund für eine Brüsseler Aufgabe Stoibers.
Und Martin Schulz (SPD), Chef der Sozialisten im Europaparlament, kritisierte: "Die Aufgaben in der EU sind zu wichtig, als dass man Brüssel als Endlager für Landespolitiker nutzen kann."
"Juwel" und "Vorbild"
Immerhin hat Stoiber die volle Rückendeckung von EU- Kommissionspräsident Jos Manuel Barroso. Der Portugiese lobte Stoibers Politik nach dem entscheidenden Gespräch am 24. Juli in München über den grünen Klee: Bayern sei "ein Juwel" und ein "Vorbild an Budgetdisziplin für Europa". Dass sie auch über Stoibers persönliche Zukunft gesprochen hatten, verrieten beide damals nicht. Ähnliche Expertengremien leiteten in der Vergangenheit der niederländische Ex-Premier Wim Kok und Ex-Wettbewerbskommissar Karel van Miert.
CSU-Landtagsfraktionschef Joachim Herrmann hofft, dass Stoiber in Brüssel etwas bewegen kann: "Das ist gut für Edmund Stoiber, gut für Bayern und gut für die EU." Aus bayerischer Sicht könnte Stoibers wichtigste Aufgabe darin bestehen, sich gegen befürchtete Brüsseler Allmachts-Ansprüche zu stemmen.
Durchwachsene Bürokratie-Bilanz
Die Bilanz von Stoibers Kampf gegen die Bürokratie in Bayern fällt indes sehr gemischt aus, wie auch CSU-Politiker seit Jahren hinter vorgehaltener Hand einräumen. Bayern leistet sich einen üppig besetzten öffentlichen Dienst - die Personalausgabenquote für das Heer der 300.000 Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst ist höher als in jedem anderen Bundesland.
Klagen über staatliche Regelungswut gehören in Bayerns Gemeinden und Schulen zum Alltag - sei es die Einführung eines Büchergelds zur Beteiligung der Eltern an den Schulbuchkosten oder die Reform der Kindergartenfinanzierung.
Belehrungspflicht für Würstlgriller
Doch meldete die CSU unter Stoiber auch regelmäßig Erfolge im Kampf gegen den Amtsschimmel. So erließ die Staatsregierung einst eine Belehrungspflicht durch das Gesundheitsamt für Würstlgriller auf Schul- und Kindergartenfesten.
Wer unbelehrt blieb, durfte keine Lebensmittel verkaufen. Nach jahrelangen Klagen von Eltern und Opposition wurde diese Vorschrift 2005 dann wieder abgeschafft - was die CSU lautstark als Triumph im Kampf gegen die Bürokratie feierte.
von Carsten Hoefer, dpa
Quelle: ntv.de