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Volker Jacobs kommentiert Abfahrt ins Ungewisse

Der Entwurf zur Privatisierung der Bahn ist ein typisches Produkt großkoalitionärer Gesetzgebung. Er ist ein Kompromiss und ungeheuer kompliziert. Deshalb ist der Kabinettsbeschluss das grüne Licht für eine Fahrt ins Ungewisse. Auf dem Weg zum Börsengang, dem Bahnchef Hartmut Mehdorn entgegenfiebert, stehen noch einige Signale, die auch auf "Halt" gestellt werden können.

Vor allem vom Bundesrat, dessen Zustimmung notwendig aber keineswegs sicher ist. Es besteht nämlich die Sorge, dass die börsennotierte Bahn den Wettbewerb im Regionalverkehr behindern und Nebenstrecken vernachlässigen könnte. Der Bund bleibt zwar Eigentümer des Schienennetzes, aber die Bahn soll es 15 Jahre lang betreiben. Das bisherige Verhalten der Deutschen Bahn lässt die Befürchtung, sie könnte ihre Vorrangposition zu Lasten von Wettbewerbern ausnutzen, jedenfalls nicht abwegig erscheinen. Der im Gesetzesentwurf geforderte jährliche Netzzustandsbericht könnte sich als ein schwaches Zwangsmittel erweisen, wenn die Bahn angehalten werden muss, Strecken zu pflegen, an denen sie als Transporteur nur wenig Interesse hat.

Schließlich ist für juristische Gutachter ein interessantes Betätigungsfeld eröffnet. Ob sich der Bund beim Schienennetz auf eine pro forma Eigentümerposition zurückziehen darf, obwohl ihm das Grundgesetz die Hoheit über die Schienstränge zuweist, ist strittig. Ob die Bahn das Netz, das sie betreiben soll, ohne es im Eigentum zu haben, unter den Bedingungen des Gesetzesentwurfes bilanzieren darf, kann Bilanzrechtler beschäftigen.

Kern der Probleme war der Streit, ob Betrieb und Netz getrennt werden sollten, was der damalige Verkehrsminister Bodewig (SPD)schon verkündet hatte. Er hatte sich nur nicht die Rückendeckung seiner Partei geholt. Die hat es nämlich ebenso wie Bahnchef Mehdorn und anders als die Union abgelehnt. Die komplizierte Konstruktion der "Sicherungsübertragung" - der Bund kann die Betreiberrechte nach 15 Jahren zurückkaufen- soll die Brücke sein. Die Tragfähigkeit des Bauwerks ist zweifelhaft.

Quelle: ntv.de

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