Zwischenruf Ägypten: Revolution in der "Revolution"?
15.02.2011, 13:58 Uhr
Das ägyptische Militär hält die Bevölkerung in Zaum.
(Foto: picture alliance / dpa)
Mubarak ist weg, doch die sozialen Probleme bleiben. Es brodelt weiter. Die Militärpolizei räumt den Tahrir-Platz. Erst wenn die geforderten Verbesserungen für die ägyptische Bevölkerung eintreten, erst dann wird die Revolution auch wirklich wahr.
Wenn die Proteste in Ägypten nach der Machtübernahme durch die Militärjunta weitergehen, ist das ein untrügliches Zeichen, dass die "Revolution" noch lange nicht beendet ist. Zwar befinden sich nur noch ein paar Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Kairo.
Doch die Militärs haben erkannt, dass sich das Feuer jederzeit wieder entzünden kann. Deshalb ließen sie den Platz räumen. Durch Militärpolizisten. Unter Husni Mubarak waren es … Polizisten. Ihre Forderungen nach Erhöhung der Löhne und Gehälter sowie Verbesserung der Arbeitsbedingungen waren schon zu hören, als es gegen Mubarak ging. Der ist nun weg, aber die sozialen Probleme sind noch da. Nicht nur in Kairo, auch andernorts gehen die Proteste und Arbeitsniederlegungen weiter.
Bits und Buchstaben machen nicht satt
Es wird viel Zeit brauchen, die Lebenslage der Menschen spürbar zu verbessern. Bits und Buchstaben machen nicht satt. Doch die Junta kann es sich nicht leisten, auf die Zeit nach den Wahlen zu verweisen. Sechs Monate sind eine lange Zeit. Freier Zugang zum Internet und zu demokratischer Presse wird nicht reichen. Das Finanzministerium hat ein Investitionsprogramm angekündigt, das Arbeitsplätze schaffen soll. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sollten dem Beispiel der Schweiz folgen und nicht lange warten, um die Milliardenkonten des Mubarak-Clans zu sperren. Wenn die EU, wie vom britischen Außenminister William Hague gefordert, erst nach Beweisen für kriminelle Aktivitäten des Clans sucht, fließt zuviel Wasser den Nil hinab. Das ägyptische Volk braucht das geraubte Geld, um sein Leben zu verändern.
Doch es sind Mubaraks Paladine, die die knapp 83 Millionen Einwohner des Landes in eine neue Zukunft führen wollen. Viele von ihnen fürchten um die eigenen Pfründe. Wenn nach denWahlen die Moslembrüder an die Macht kommen, werden sie sich zuerst um die sozialen Probleme der Menschen kümmern und so ihre Machtbasis festigen. Wie auch immer dann ihre Politik im Konkreten aussieht: Islamisten gleich welcher Couleur sind eine Gefahr. Frau Merkel und Senhor Durao Barroso sollten sich nicht nur um den Aufbau demokratischer Strukturen kümmern. Erst, wenn es den Ägyptern besser geht, ist die "Revolution" zur Revolution geworden. "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral." Das ist nun einmal so.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de