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Zwischenruf 333 Alle Messen sind noch nicht...

Von Manfred Bleskin

Für die Spitzen der Großen Koalition ist der Fall Oettinger beendet. Doch lässt sich die Geschichtsklitterung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten so einfach zu den Akten packen? Es fällt schwer, die Rücknahme der Äußerungen in der Trauerrede für Hans Filbinger als Läuterung akzeptieren. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass der CDU-Politiker aus Opportunismus heraus gehandelt hat. Es gehört schon eine ganze Menge Chuzpe dazu, ein Mitglied von SA und NSDAP, verstrickt in Todesurteile als Nazigegner zu bezeichnen und dann eine Kehrtwende zu vollziehen.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass Oettinger seine Sicht auf das Wirken eines seiner Amtsvorgängers in der Nazizeit innerhalb weniger Tage grundsätzlich geändert hat, bleibt der Beifall, den er nahezu geschlossen von der Landes-CDU erhielt. Was ist mit der Unterstützung, die Oettinger durch die Südwest-Landesgruppe der Unionsfraktion im Bundestag bekam, bevor er seinen Rückzieher machte? Wie steht es mit der Äußerung von Landesgruppenchef Georg Brunnhuber, die Trauerrede Oettingers sei eine „Meisterprüfung“ gewesen? Müsste der Mann jetzt nicht wenigstens sagen, Oettinger habe ein schlechtes Gesellenstück abgeliefert?

Auch bei Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm keine Kritik oder zumindest Distanzierung von Oettinger. Nein, stattdessen kriegt die Bundeskanzlerin und CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel eine kräftige Watschen. Parteischädigendes Verhalten wirft ihr der Exponent des nationalkonservativen Flügels der Christdemokraten vor. Hat nicht eher Günther Oettinger die Partei beschädigt?

„Rechts von der Union darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben. Wir dürfen nicht vergessen, woher wir kommen“, hat Franz-Josef Strauß selig dereinst formuliert. Es ist das Verdienst von CDU und CSU, dies über die Jahre geschafft zu haben. Sicher: Dabei spazierten beide Partei immer wieder dicht am rechten Rand entlang. Aber hineingefallen in den rechten Abgrund sind sie nie. Diese Tatsache gehört zu den Grundpfeilern der bundesdeutschen Demokratie. Wenn’s so bleiben soll, sind in Sachen Oettinger längst noch nicht alle Messen gesungen.

Quelle: ntv.de

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