Zwischenruf Auf de schwäbsche Eisebahne
26.08.2010, 15:08 UhrDe schwäbsche Eisebahne mit ihrer Haltstation Schtuegart wird für die Union nicht nur aus finanziellen Gründen zur Gretchenfrage. Was auf den ersten Blick als kommunaler Konflikt erscheint, ist bei Lichte besehen ein Bundesproblem.
Auf de schwäbschen Eisebahne gibt es viele Haltstatione. Eine davon ist Schtuegart, wie es in dem Liedchen aus der Mitte des vorvergangenen Jahrhunderts heißt. Die jetzige Stuttgarter Haupthaltstation ist nicht ganz so alt. Dass sie saniert werden muss, ist unumstritten. Dass man das Gebäude, eines der Wahrzeichen der baden-württembergischen Landeshauptstadt und unter Denkmalschutz, teilweise abreißen muss, hingegen nicht.
Befürworter und Gegner streiten über Zeitgewinne und neue Arbeitsplätze. Doch eine offenbar nur um ein paar Minuten schnellere Durchfahrtzeit, eine nicht zwingend erforderliche ICE-Anbindung an den Flughafen, Umweltschäden und horrende Kosten lassen Zweifel am Sinn des Vorhabens aufkommen. Wie bei solchen Projekten scheinbar Usus, erwies sich der Kostenvoranschlag als falsch. Die Bundesregierung hat bereits vorfinanziert; ärgsten Befürchtungen zufolge sind die Kosten um mehr als die Hälfte auf zehn Milliarden Euro gestiegen. Den Hauptanteil soll der Bund übernehmen. Was auf den ersten Blick als kommunaler Konflikt erscheint, ist bei Lichte besehen ein Bundesproblem. Die einzigen Profiteure sind die Bauunternehmen.
Das Großprojekt erscheint umso unsinniger, wenn man bedenkt, dass vor allem regionaler Schienenverkehr auf tausenden und abertausenden Kilometern mit Blick auf den dann gescheiterten Börsengang der Deutschen Bahn aus "Kostengründen" stillgelegt wurden. Die Übernahme solcher Strecken durch Privatunternehmen macht den Verlust nicht annähernd wett.
Offenbar sprechen auch geologische Gegebenheiten gegen das Projekt. Wenngleich befremdlich anmutet, dass ausgerechnet einer der Architektenväter des unterirdischen Bahnhofsprojekts erst jetzt vor einem Einsturz mit katastrophalen Folgen warnt, sollten die Hinweise ernst genommen werden. Das Drama um das Kölner Stadtarchiv müsste Menetekel genug sein.
Überraschend ist das Protestpotential, das durch das 21er Projekt mobilisiert wurde. Offensichtlich hatten weder Stadt noch Land oder Bund mit Massenaktionen dieses Ausmaßes gerechnet. Eine Radikalisierung ist nicht ausgeschlossen. Verwunderlich auch, dass die Ablehnung quer durch die Parteien geht. Mitglieder der in Stuttgart und Baden-Württemberg regierenden CDU erklären aus der Partei austreten zu wollen, wenn der Abriss beginnt.
Ende März 2011 finden im Südwesten Landtagswahlen statt. Erstmals seit fünfzig Jahren wackelt der schwarze Thron: SPD und Grüne liegen knapp vorn; die Linke würde mit fünf Prozent in das immer noch schmucke Glasgebäude mit dem 60er Charme im Schlossgarten einziehen. De schwäbsche Eisebahne mit ihrer Haltstation Schtuegart wird für die Union nicht nur aus finanziellen Gründen zur Gretchenfrage. Eine Trulla-trulla-trullala-Anwort wird nicht reichen.
Quelle: ntv.de