Irak bei Regierungsbildung schneller Belgischer Polit-Basar
30.03.2011, 09:33 UhrIn Belgien wird seit Anfang Juni 2010 versucht, eine Regierung zu bilden. Die Parteien Flanderns und der Wallonie finden nicht zueinander. König Albert II. hat keine Möglichkeit, dem Treiben ein Ende zu bereiten. Bleiben wohl nur noch Neuwahlen.
Belgiens König Albert II. wird seinen Deutschland-Besuch als Kur empfunden haben. Fern jeglicher Sorgen über die innenpolitische Lage in seiner Heimat. Gespräche ohne jeglichen Druck mit Bundespräsident Christian Wulff. Dann ein Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel, die - trotz derzeitiger Turbulenzen nach der vergeigten Wahl ihrer CDU in Baden-Württemberg - immerhin doch einer funktionierenden Regierung vorsteht. Dann noch der Besuch im Freistaat Bayern mit Folklore und allerlei protokollarischem Tamtam.
Aber dann holt den Monarchen auch wieder die belgische Wirklichkeit ein. Der 76-Jährige wird im Brüsseler Schloss Laeken weiter viele Politiker empfangen und um die Einheit des Landes ringen. Bislang hat Albert II. dabei kein glückliches Händchen gehabt.
Seit den Parlamentswahlen vom 13. Juni 2010 wird in Belgien nun an der Bildung einer neuen Regierung gebastelt - bislang ohne Erfolg. Das westeuropäische Königreich hat nun sogar den bisher vom Irak gehaltenen Weltrekord übertroffen. Und es geht in Belgien auch zu wie auf einem arabischen Basar. Bislang sieben Vermittler (Oder sind es sogar mehr?) gaben sich im Schloss die Klinke in die Hand, um dem Staatsoberhaupt über ihre misslungenen Versuche zu berichten, die zerstrittenen Parteien Flanderns und der Wallonie zusammenzubringen. So regiert der abgewählte flämische Christdemokrat Yves Leterme - auch er "erholte" sich in Deutschland - munter weiter. Belgien brachte unter seiner Führung sogar die EU-Ratspräsidentschaft von Juli bis Dezember 2010 relativ geräuschlos über die Bühne.

"Erholung" in Berlin: König Albert II. (rechts) und der geschäftsführende Regierungschef Yves Leterme mit Kanzlerin Angela Merkel.
(Foto: dpa)
Die meisten Belgier schütteln nur noch den Kopf über die Unfähigkeit ihrer Politikerkaste, Kompromisse zu schließen. Die Frage, wie viel Macht von der Zentralregierung auf die Regionen Flandern, Wallonie und Brüssel-Hauptstadt übergehen soll, ist nach wie vor ungelöst. Die Neu-Flämische Allianz (N-VA) von Bart De Wever gibt ihren Traum von einer Republik Flandern und damit dem Ende Belgiens nicht auf. Die in der französischsprachigen Wallonie starken Sozialisten von Elio Di Rupo verfolgen einen anderen Kurs und kämpfen aus ökonomisch eigennützigen Gründen für den Zusammenhalt des Landes. Das ist auch nur allzu verständlich, denn dann gibt es weiter Finanzhilfen aus dem Norden für die wirtschaftlich arg gebeutelte Wallonie. Nach wie vor strittig zwischen Flamen und Wallonen ist zudem die Aufteilung eines Wahlbezirks am Rande Brüssels.
"Frittenrevolution" und "Sex-Streik"
Noch nehmen die Belgier das politische Geschacher der an der Regierungsbildung beteiligten sieben Parteien mehrheitlich mit Humor. So teilten Studenten Pommes frites aus, um für Einheit des Landes zu demonstrieren. Aber diese "Frittenrevolution" blieb bislang erfolglos. Auch der Aufruf einer Parlamentarierin an ihre Geschlechtsgenossinnen zum "Sex-Streik" verfing nicht. Andere suchten sich einfach ein anderes Land und nahmen die luxemburgische Staatsbürgerschaft an. Dazu genügt zum Beispiel der Nachweis, dass der Ur-Ur-Ur-Großvater eines Belgiers am 1. Januar 1900 Luxemburger war. Die politische Krise macht eben erfinderisch.
So bleibt der arme Albert mit seinen Problemen allein. "Er ist wirklich müde", sagte ein Kenner des belgischen Königshauses. Der Monarch kann auch nicht mehr tun, als an die Vernunft der Politiker zu appellieren.
Es bleibt eigentlich nur noch die Neuwahl. Aber es ist fraglich, ob diese eine andere politische Konstellation hervorbringt. Ein Gutes hätte ein Votum allerdings: Belgien könnte dann einen weiteren Regierungsbildungs-Weltrekordversuch starten.
Quelle: ntv.de