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Zwischenruf 352 Bitterer Vorgeschmack

Von Manfred Bleskin

Die Konfrontation auf dem G8-Gipfel in der nächsten Woche im mecklenburgischen Heiligendamm ist nicht nur außerhalb des 12-Millionen-Euro-Zauns programmiert, sondern auch und vor allem dahinter. Und sie ist - langfristig - weitaus gefährlicher als die zwischen Polizisten und Globalisierungskritikern. Fast ist man geneigt zu sagen, ein Glück, dass es das Monstrum von Sicherheitszaun gibt. Da bekommt die Welt nicht so richtig mit, wie uneins sich ihre Großen tatsächlich sind. Das Treffen der Außenminister der sieben größten Industrienationen und Russlands in Potsdam vermittelte einen bitteren Vorgeschmack und lässt eine ähnlich kaltfriedliche Atmosphäre erahnen wie jüngst beim Merkel-Putin-Showdown an der Wolga.

Moskaus Chefdiplomat Sergej Lawrow war unmissverständlich im Cecilienhof, wo sich schon sein Uralt-Amtsvorgänger Andrej Gromyko auf der Potsdamer Konferenz ein paar diplomatische Sporen hinzu verdient hatte: "Njet" im UN-Sicherheitsrat, sollte in dem Gremium über die Unabhängigkeit des Kosovo abgestimmt werden. Unsinn die von so manch Naivem begierig aufgegriffenen Berichte, Russland wäre bereit, der Lostrennung der Provinz vom serbischen Staatsverband zuzustimmen, würde Moskau eine Truppenpräsenz in den wenigen noch mehrheitlich serbisch besiedelten Flecken gewährt. Unsinn auch, der Kreml würde in Sachen Kosovo weich werden, sollte die angestrebte Republik Kosova in den nächsten zwei Jahren auf eine UN-Mitgliedschaft verzichten.

Gleiches gilt auch für das vorgebliche Junktim zwischen einem "Da" zu einem souveränen Kosovo und einer Nichtmitgliedschaft in der Ukraine und Georgiens in der NATO bis Ende 2009. Warum in den nächsten zwei Jahren? Die Erfinder dieser Meldung hätten wenigstens zehn Jahre sagen sollen, das hätte überzeugender geklungen. Moskau beharrt darauf, dass die Statusfragen zwischen den Regierenden in Belgrad und Priština ausgehandelt und nicht von außen oktroyiert werden. Was auf eine Fortführung des derzeitigen Schwebezustandes hinausliefe. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Position der neuen französischen Regierung, von der Voreilige einen deutlichen außenpolitischen Schulterschluss mit den USA erwartet hatten. Außenminister Bernard Kouchner legte sich nicht fest: "Alles ist Konfrontation, Krieg und Konfrontation vorzuziehen", so der sibyllinische Spruch des Hausherren am Quai d'Orsay.

Grundverschieden sind unverändert die Positionen zur geplanten Stationierung von Teilen des künftigen US-Raketenabwehrsystems in Polen und Tschechien. Da dürfte sich wenig ändern, umso mehr als Litauen verkündete, es sei bereit auch auf seinem Territorium Teile des Schildes aufzunehmen. Zudem wird die Argumentation Washingtons immer unglaubwürdiger, der Raketenschild sei gegen den Iran und Nordkorea gerichtet. Auf den jüngsten Raketentest des Regimes in Pjöngjang in der vergangenen Woche hat das Weiße Haus öffentlich nicht reagiert. Die Rakete hatte zudem eine Reichweite von nur 200 Kilometern, tangiert also den Schild - wie auch die iranischen Raketen - in keiner Weise. Was die militärischen Ambitionen der Diktaturen in Pjöngjang und Teheran für deren jeweilige Nachbarn nicht ungefährlicher macht.

Auch beim Klimaschutz sind die Gräben tief, doch hier verlaufen sie anders. Moskaus neu gewonnene Macht fußt auf einem Öltriefenden Schwert und Washington ist gezwungen, den Druck der US-Wirtschaft zu berücksichtigen. Da läuft die Bundesregierung ins Leere mit ihrer Forderung, endlich verbindliche Grenzwerte für die Kohlendioxid-Emissionen festzulegen.

Heiligendamm steht für den Tiefpunkt der politischen G-Kultur, die Altkanzler Helmut Schmidt und Frankreichs damaliger Staatspräsident Valry Giscard d'Estaing 1975 auf Schloss Rambouillet mit dem ersten Weltwirtschaftsgipfel begründeten. Die Frage nach dem Sinn solcher Veranstaltungen, wie sie Vizekanzler Franz Müntefering stellt, ist durchaus berechtigt.

Insofern wären die Millionen für Sicherheitszäune und ähnlichen Firlefanz in Afrika als Entwicklungshilfe besser aufgehoben. Allerdings hätte das Hotel Kempinski in Heiligendamm dann weniger Gewinn und Mecklenburg-Vorpommern müsste sich ernsthaft Gedanken über eine neue Tourismuswerbung machen.

Quelle: ntv.de

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