Zwischenruf Bolivien bleibt gespalten
12.08.2008, 21:39 UhrBoliviens sozialistischer Präsident hat das Referendum über seinen Verbleib im Amt gewonnen. Bei einer Wahlbeteiligung von traumhaften 80 Prozent mit einer klaren Mehrheit von mehr als 63 Prozent. Das sind gut zehn Punkte mehr als erforderlich gewesen wären. Auch die Auslandsbolivianer entschieden sich überwiegend für Evo Morales. Deren Stimmen werden aber nicht gezählt, weil die oppositionelle Mehrheit im Senat, der zweiten Parlamentskammer, dagegen war.
Die Volksabstimmung hatte der einstige Gewerkschaftsfunktionär im Unterschied zu immer wieder anzutreffenden Behauptungen nicht selbst angesetzt. Der Urnengang war ihm vom Senat aufgezwungen worden. Mit dem Ziel, den ersten indigenen Staatschef des Andenlandes zu stürzen. Das ist gründlich daneben gegangen.
Morales, seine Partei „Bewegung zum Sozialismus“ (MAS) und deren Verbündete einschließlich der Kommunisten gehen gestärkt aus der Konfrontation hervor. Trotzdem ist es kein Sieg auf ganzer Linie. Bei den gleichzeitig durchgeführten Abstimmungen über die Provinzpräfekten gewannen die oppositionellen Chefs von Santa Cruz, Pando, Beni und Tarija mit deutlichen Mehrheiten. Die Morales-Gegner in der Hauptstadt La Paz und in Cochabamba verfehlten ihr Ziel, aber auch der Mann des Präsidenten in Potos. Nun sollen in diesen Provinzen Neuwahlen stattfinden. Selbst wenn die MAS sie gewinnt, bleibt das Land gespalten.
Aber: Eigentlich war Bolivien immer gespalten. In eine arme, entrechtete und ausgebeutete Bevölkerungsmehrheit und eine reiche Oberschicht, die das Mehrprodukt in seine Taschen steckte und sich einen Teufel um die Belange der Anderen scherte. Dass die Grenzen zwischen Oben und Unten zumeist entlang der Hautfarbenunterschiede verlaufen, macht das Ganze noch komplizierter. Es wird für Morales darauf ankommen, die weiße und mulattische Mittelschicht auf seine Seite zu ziehen, um das Kräfteverhältnis weiter zu seinen Gunsten zu verändern. Wenn sich weiße Jugendliche in Santa Cruz, zum Beispiel, mit rassistischen Angriffen auf die „Indios“ hervortun, darf Morales es ihnen mit gleicher Münze heimzahlen. Zugleich gilt es, die Wende hin zu einer spürbaren Verbesserung der Lebenslage seiner überwiegend indigenen Anhänger zu schaffen. Dies ist auch nach zweieinhalb Jahren noch nicht gelungen.
Das Zünglein an der Waage sind die Streitkräfte. Sie bleiben aus historischen Gründen auch im gegenwärtigen demokratischen Prozess der letztendlich entscheidende Faktor, der das Pendel zur einen wie zur anderen Seite ausschlagen lassen kann. Der Konsens hält, zumal die Mehrheit der Soldaten, nicht aber der Offiziere, aus jenen Schichten stammt, die der MAS zuneigen. Doch zeigt die Entwicklung in Ecuador, wo ein ähnlicher Reformprozess wie in Bolivien abläuft, dass die Gegner sehr wohl um die Schlüsselrolle der Streitkräfte wissen. Dessen Präsident Rafael Correa wechselte Verteidigungsminister und Geheimdienstchef aus, weil sie Beziehungen zur CIA unterhalten haben sollen.
Schon zu Zeiten des politischen Chaos in Bolivien vor Morales' Wahl hatte es Berichte gegeben, der US-Geheimdienst arbeite an einem Projekt, den damaligen bürgerlich-konservativen Präsidenten Carlos Mesa mit Hilfe der Armee zu stürzen, um einem Linksruck zuvorzukommen. „Patriotische Offiziere“ hätten die Putschpläne vereitelt, hieß es 2004.
Und 2008?
Quelle: ntv.de