Zwischenruf Bombe an Bord: Shoot 'em down?
04.11.2010, 14:40 UhrWas tun gegen die neue Terrorgefahr durch Paketbomben? Flugzeuge abschießen, wie Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann es fordert? Nein, meint n-tv-Redakteur Manfred Bleskin. Da gebe es ganz andere Wege.

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann schlägt eine Änderung der Verfassung vor, um bei Terrorgefahr den Abschuss von Verkehrsflugzeugen zu ermöglichen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann ist als Hardliner bekannt. Erinnert sei nur an den Fall der Iranerin, die trotz drohender Steinigung in ihr Herkunftsland abgeschoben werden sollte. Wenn der CDU-Mann nun den Abschuss von Flugzeugen mit Bomben an Bord fordert, stellt er sich wissentlich gegen das Bundesverfassungsgericht. Die roten Roben hatten schon 2006 dagegen entschieden. Schünemann sagt "Frachtflugzeuge". Sollte seiner Forderung nachgegeben werden, was passiert, wenn es sich um eine Passagiermaschine handelt? Ganz abgesehen einmal davon, dass auch Frachtmaschinen nicht ganz ohne Crew auskommen.
Die Justizministerkonferenz hat den Vorstoß zurückgewiesen. Doch Schünemann will die "license to kill" in zwei Wochen seinen Kollegen aus Bund und Ländern präsentieren. Es ist gut zu wissen, dass dann auch der Bundesressortchef mit am Tisch sitzt, der im Kampf gegen den Terrorismus für seine besonnene Haltung bekannt ist. Bezeichnenderweise war die niedersächsische Zeitung, in der Schünemann seine Forderung erhob, eine der wenigen in Deutschland, die Thomas de Maizière wegen der Paketbombenpanne von Köln Laschheit in der Amtsführung vorgeworfen hatte.
In der wieder entfachten Diskussion um die sogenannte innere Sicherheit bewahrt Schünemanns Parteifreund ruhiges Blut. Die einzige Möglichkeit, dem Übel Terrorismus nachhaltig den Garaus zu machen. Stimmt: Man fasst sich an den Kopf, wenn einem auf dem Flughafen ein klitzekleines Schweizer Messer abgenommen wird und die Flasche Mineralwasser, aus der man gerade noch einen Schluck genommen hatte, halbvoll in den Orkus fliegt. Da hätte sich ein umsichtiger Politiker wie de Maizière schon früher um Frachtkontrollen kümmern können. Wieso aber sind die sonst stets den Terrorwarnfinger hebenden vereinigten westlichen Geheimdienste nicht auf die Idee gekommen, Fracht besser zu durchleuchten? Man fragt sich, was die so treiben, wenn sie erst durch den saudischen Geheimdienst auf die Spur gebracht werden mussten.
Unsicherheitspolitische Warnungen bringen nichts

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) will bis Dezember ein Anti-Terror-Paket für die Luftfracht durchsetzen.
(Foto: dapd)
Von de Maizière heißt es, er würde sich erst dann warnend zu Wort melden, wenn aus dem Rauch tatsächlich Feuer zu werden droht. Warum weist dann sein Berliner Kollege Ehrhart Körting von der SPD auf die Gefahr von Anschlägen deutscher Anarchisten hin, die zudem mit ihren griechischen Brüdern im Ungeiste vernetzt wären und nicht der Bundesinnenminister?
Unsicherheitspolitische Warnungen und Vorschläge à la Körting und Schünemann sind typisch für Situationen wie die gegenwärtige. Sie bringen nur nichts. Außer Verunsicherung eben. Die an die Kanzlerin gerichtete Paketbombe wurde bei einer Routinekontrolle gefunden. Wenn es zur Routine wird, Luft- und andere Fracht mit technisch ausgefeilten Mittel zu kontrollieren statt genervten Fluggästen die Fingernagelfeile abzunehmen, dann wird dem Terrorismus eine weitere Niederlage beigebracht. Dies ist auch wirkungsvoller als Drohnen und ähnlicher Klimbim. Wenn dann noch die Ölbillionäre von Arabien und Brunei samt dem Iran ihren notleidenden Glaubensbrüdern im Jemen, Irak, Afghanistan, Somalia und Gaza mit Entwicklungsprogrammen und –geldern unter die Arme greifen, wäre der Terrorismus erschossen und es brauchten kein Flugzeuge abgeschossen zu werden.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de