Zwischenruf Bombe vor der Haustür
27.02.2007, 16:54 UhrVon Manfred Bleskin
Direkt vor der Haustür von Richard Cheney ist die Bombe am Dienstag nicht explodiert. Aber fast. Ein dreifacher Sperrgürtel trennt die Residenz des Gastes von der Außenwelt. Bis zu 20 Menschen fanden den Tod, unter ihnen auch ein amerikanischer Soldat, als am Rande der US-Basis – rund 50 Kilometer nördlich von Kabul gelegen - ein Sprengkörper hochging.
Kein Zweifel, dass der Anschlag dem Stellvertreter von Präsident George W. Bush galt. Unerheblich, ob dies nun der Auftakt zu der von den islamistischen Taliban angekündigten Frühjahrsoffensive war oder nicht. Deutlich wird in jedem Fall, wie dicht die aufständischen Koranschüler an ihrem Gegner dran sind.
Cheney kam aus Islamabad. Dort hatte er dem pakistanischen Diktator Pervez Musharraf wegen mangelnden Einsatzes gegen die Taliban die Leviten gelesen. Deren Rückzugsgebiete liegen hauptsächlich in den autonomen Stammesregionen seines Landes. Von Seiten Cheneys war das sicherlich vergebliche Liebesmüh’. Musharraf tut schon, was er kann. Rund 80.000 Soldaten sind in den "tribal areas" stationiert, doch die müssen sich im Wesentlichen darauf beschränken, die Augen zuzukneifen. Würden sie die Augen aufmachen, riskierte Musharraf einen bewaffneten Konflikt mit den fundamentalistischen Clanchefs, deren Herrschaftsgebiete an Afghanistan grenzen und die als Paschtunen derselben ethnischen Gruppe angehören wie die Mehrheit der Taliban. Zugleich wüchse die Gefahr, dass sich auch jene Kräfte offen gegen sein Regime stellten, die bislang mehr oder weniger im Untergrund arbeiten. Dies gilt namentlich für einflussreiche Kreise in Armee und Geheimdienst, deren Unterstützung für die Taliban für gut informierte Spatzen auf den Dächern von Islambad längst kein Geheimnis mehr ist.
Nun hatte die US-Regierung die Afghanistan-Visite Cheneys freilich bis zur Abreise aus der pakistanischen Hauptstadt geheim gehalten, und dessen genauen Aufenthaltsort auch dann –aus gutem Grunde, wie man sieht – nicht öffentlich gemacht. So liegt nahe, dass es einen Tipp aus Pakistan gab.
Der Anschlag (fast) vor der Haustür des US-Vizepräsidenten ist ein Menetekel. Er zeigt nicht zuletzt, dass der Krieg in Afghanistan sozusagen ungewinnbar ist. Die Afghanistan-Frage ist - wie das Problem des islamistischen Terrors überhaupt - nur mit politischen Mitteln lösbar. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sollten die Zeichen an der Wand begreifen, wenn sie über die Entsendung von Tornados in das Kampfgebiet abstimmen.
Quelle: ntv.de