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Zwischenruf Bonn-Berlin: Alles hat seine Zeit

Warum sind 20 Jahre nach dem historischen Beschluss, Parlament und Regierung nach Berlin zu verlegen, noch immer Ministerien in Bonn? Es gibt keinen vernünftigen Grund. Eher im Gegenteil: Mitarbeiter müssen pendeln, Akten transportiert werden - das kostet Millionen. Die sechs Ministerien sollten endlich nach Berlin verlegt werden: die Kleinstaaterei ist Geschichte.

Im April 1999 rollte der erste Güterzug mit Mobiliar und Akten von Bonn nach Berlin.

Im April 1999 rollte der erste Güterzug mit Mobiliar und Akten von Bonn nach Berlin.

(Foto: picture-alliance / dpa)

Alle Jahre wieder, na ja, nicht ganz, aber alle Jahrestage wieder, kocht der Bonn-Berlin-Streit wieder hoch: Spreerealos versus Rheinfundis. Nun gibt es beim allerbesten Willen keinen vernünftigen Grund, Millionen und Abermillionen dafür auszugeben, dass zwanzig Jahre nach dem unbestritten historischen – und historisch richtigen – Beschluss des Bundestag über den Umzug von Parlament und Regierung nach Berlin immer noch sechs Ministerien ihre Hauptsitz in Bonn haben, Mitarbeiterpendeln und Aktentransport Gelder binden, die andernorts gut gebraucht würden. Nun nimmt dieses Paradoxon außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes kaum jemand wahr. Das ist gut so, weil es den zentralstaatsgewohnten Franzosen nur ein mitleidsvolles Grinsen abringen würde.

Schon die Wahl Bonns auf Betreiben des Kölners Konrad Adenauer war von Intrigen begleitet. Jahrzehnte später, bei der denkbar knappen Entscheidung für Berlin, votiert immerhin auch ein späterer Bundespräsident für den Verblieb am alten Ort. Johannes Rau, einst Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, war gegen den Umzug.

Umzug wäre ungemein kostengünstig

Der Hauptstadtzank hat historische Ursachen. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation kannte keine Hauptstadt; die Kaiser zuckelten von Pfalz zu Pfalz, die Gegensätze zwischen Papst und Imperator verhinderten, dass Rom zur Kapitale wurde. Die Rivalitäten zwischen Luxemburgern, Wittelsbachern und Habsburgern, der Dreißigjährige Krieg, der Streit zwischen Österreichern und Preußen und die deutsche Teilung nach 1945 führten zu provisorischen oder gar keinen Lösungen. Zwar wurde Berlin durch die Bismarcksche Blut-und-Eisen-Lösung preußische und deutsche Hauptstadt. Doch hatten die anderen drei Königreiche Bayern, Sachsen und Württemberg ihre eigenen Hauptstädte. Ganz zu schweigen von den Großherzogtümern usw. usf. Die natürliche Organisationsform der Deutschen war über Jahrhunderte eben nicht der einheitliche Nationalstaat. Die Kleinstaaterei war sprichwörtlich. Da kam selbst das zerstückelte Italien nicht mit.

Alles hatte seine Zeit: Aber es gibt keinen Rheinbund und keine Bonner Republik mehr. Der Deutsche Bundestag möge sich deshalb rasch beschließen, dass die in Bonn verbliebenen Ministerien rasch nach Berlin umziehen. Das entspricht nicht nur der politischen Realität, sondern ist auch ungemein kostengünstig.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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