Zwischenruf China und Japan spielen mit dem Feuer
18.09.2012, 13:42 Uhr
Hinter Barrikaden: Chinesische Paramilitärs bewachen während einer anti-japanischen Demonstration die japanische Botschaft in Peking.
(Foto: dpa)
Im Streit zwischen Peking und Tokio um den Diaoyu/Senkasus-Archipel geht es nicht nur um Fischgründe und vermutete Bodenschätze. An dem Konflikt ist auch Taiwan beteiligt, das Peking unterstützt. Wie könnte ein Kompromiss aussehen?
Bösartiger könnten die Karikaturen in der englischsprachigen Presse Chinas gar nicht sein: ein Japaner, der sich als Angler der umstrittenen Inselgruppe in der Schnur verheddert, mit dem Feuer spielt oder dabei ist, ein Ei zu zerschlagen, dessen Hälften China und Japan symbolisieren. Was passiert, sollte einmal ein erster militärischer Schlag geführt werden, kann niemand vorhersagen. Beide Länder sind seit Jahrhunderten verfeindet. Japan hat in China unvorstellbare Verbrechen begangen, Territorien besetzt, Marionettenregimes eingesetzt. Das belastet die Beziehungen in einer Weise, wie wir Europäer uns dies kaum vorstellen können. Die teils gewaltsamen Proteste gegen die japanische Politik im Inselstreit sind nicht etwa von oben angeordnet, auch wenn sie von oben kontrolliert werden. Patriotismus ist Bestandteil des chinesischen Selbstverständnisses, unabhängig vom politischen oder religiösen Bekenntnis. Zu militantem Nationalismus ist es oft nur ein kurzer Weg.
Nicht nur die Volksrepublik liegt mit Japan über Kreuz. Auch Taiwan, das von Peking als abtrünnige Provinz betrachtet wird, meldet sich in dem Konflikt zu Wort. Präsident Ma Ying-jeou weilte kürzlich zu einem Blitzbesuch auf der Insel Pengija, das von Taipeh kontrolliert wird und nur 140 Kilometer vom umstrittenen Diaoyu/Senkasus-Archipel entfernt ist. Zugleich entsandte Ma Küstenschutzboote in die Region und ließ Kampfflugzeuge darüber hinwegdonnern.
Eskalation wäre gefährlich
Ob ausgerechnet US-Verteidigungsminister Leon Panetta in dem Konflikt zwischen Peking und Tokio vermitteln kann, darf bezweifelt werden. Gerade erst haben die USA und Japan die Errichtung eines zweiten Raketenabwehrschirms auf japanischem Territorium vereinbart, der – wie es heißt – vor Angriffen aus Nordkorea schützen soll. Dass sich das System auch gegen China richtet, liegt schon aus geografischen Gründen auf der Hand. Auch die von Präsident Barack Obama angekündigte Beschwerde über die staatlichen Subventionen für die chinesische Automobilindustrie bei der Welthandelsorganisation (WTO) dürften die Beziehungen zwischen der größten und der zweitgrößten Wirtschaft der Welt nicht gerade entlasten.
Der Diaoyu/Senkasus-Streit ist nicht der einzige in Südostasien. Auch mit Vietnam und Malaysia ringt China um Inseln. Eine weitere Eskalation des Streits um Diaoyu/Senkasus wäre gefährlich. China ist Japans drittgrößter Handelspartner, die Wirtschaften beider Länder sind in wichtigen Bereichen eng miteinander verflochten. Die Auswirkungen auch für die internationalen Handelsbeziehungen wären verheerend. Schon jetzt haben große japanische Elektronikkonzerne Werke in China vorübergehend geschlossen. Ein Kompromiss kann und muss gefunden werden: Vielleicht so einer wie im Streit zwischen Marokko und Spanien um die unbewohnte Mittelmeerinsel Perejil. Man ignoriert die Ansprüche des jeweils anderen, de facto bleibt der Archipel Niemandsland. Oder man nutzt die Inseln nach norwegisch-russischem Vorbild in Spitzbergen gemeinsam, China nennt sie weiter Diaoyu, Japan Senkasus. Vorher müsste die Regierung in Tokio allerdings den Kaufvertrag über die Inselgruppe für null und nichtig erklären.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist er Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de