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Zwischenruf Club of Rome: Apocalypse now?

Jorgen Randers stellt den Bericht "2052: A Global Forecast for the Next Forty Years" vor.

Jorgen Randers stellt den Bericht "2052: A Global Forecast for the Next Forty Years" vor.

(Foto: dpa)

Die Warnungen im jüngsten Bericht des Clubs of Rome sollten ernst genommen werden. Befremdlich hingegen ist die apokalyptische Grundtendenz des Berichts. Gleichwohl muss in wichtigen Wirtschaftsbereichen umgesteuert werden.

Die Tendenz der Veröffentlichungen des internationalen Expertengremiums Club of Rome ist seit dem ersten großen Bericht unverändert. Schon 1972 hieß es in "Die Grenzen des Wachstums", die "absoluten Wachstumsgrenzen (würden) im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht", gesetzt den Fall, Weltbevölkerung, Industrialisierung, Umweltverschmutzung, Nahrungsmittelproduktion und Ausbeutung der natürlichen Rohstoffe nähmen unverändert zu. Ähnlich auch 1992 die Prognosen in "Die neuen Grenzen des Wachstums". Nun also scheint das Datum des Weltuntergangs festzustehen: 2052. 2020 kommt die Revolution, was immer darunter zu verstehen ist.

Es ist richtig, dass die Experten vor ungehindertem, unkontrolliertem Wachstum warnen. Doch der apokalyptische Grundton ist befremdlich. Eine sommers völlig eisfreie Arktis scheint gar zu übertrieben. Manches ist auch demokratiefeindlich, wie etwa die Aussage, dass langwierige parlamentarische Entscheidungsprozesse Entscheidungen hinauszögerten. Ist eine Entwicklungsdiktatur wie China besser? Anderes ist widersprüchlich. Wurde im zweiten Bericht noch die Forderung nach einer Geburtenkontrolle erhoben, so heiß es nunmehr, die Bevölkerung werde um 2040 auf 8,1 Milliarden steigen und dann zurückgehen. Aber wie?

Welche Alternativen gibt es?

Die Vorhersage, den Menschen in den Entwicklungsländern werde es besser gehen als denen in den Industriestaaten, weil dort der Finanzkapitalismus Tabula rasa mache, geht davon aus, dass niemand in der Lage ist, die Heuschrecken zur Räson zu bringen. Der Ausgang der Wahlen in Frankreich und Griechenland, die Schlappe der Konservativen beim kommunalen Urnengang in Großbritannien deutet zumindest an, dass es nicht wie bisher weitergehen muss. Auch die Einberufung eines EU-Sondergipfels zum Thema Wachstumsprogramme lässt hoffen, dass der Fiskalpakt getaufte Sparwahn nicht in das Glaubensbekenntnis aufgenommen wird.

Die Kritik am "fast religiösen Glauben" an die "freien Märkte" ist nur allzu berechtigt. Doch welche Alternative gibt es? Staatssozialistische Systeme mögen vieles gewesen sein. Umweltbewusst waren sie nicht. Das vorgeblich kommunistische China wirtschaftet munter kapitalistisch drauflos.

Hund beißt sich in den Schwanz

Zurück auf die Bäume? Nein. Doch müssen wesentliche Bereiche aus der Profitlogik herausgenommen werden. Wasser- und Energiewirtschaft, Eisenbahnen, Großbanken und Gesundheitswesen müssen garantieren, dass in der Wirtschaft Gewinn gemacht wird. Wenn dort selbst Gewinn erwirtschaftet werden soll, beißt sich der Hund in den Schwanz.

Die Verkehrsdichte auf deutschen Straßen hat beängstigende Ausmaße angenommen. Ebenso der daraus folgende CO2-Ausstoß. Die Schiene ist einfach zu teuer. Doch niemand ist in der Lage, die Deutsche Bahn zur Gewährung günstigerer Konditionen zu bewegen. Stattdessen werden Riesenlaster mit einer Länge von 25 Metern getestet. Was ist mit dem Projekt Sonnenthermie in der Sahara? Wieso hat die Bundesregierung beschlossen, die Förderung der Solarenergie einzustellen?

Wenn in deutschen Landkreisen die Biotonne abgeschafft wird, weil die Verwertungsbetriebe nicht profitabel sind, zeigt dies das Wesen des Problems. Nicht die Bewahrung der Umwelt steht im Mittelpunkt, sondern der Gewinn.

So sollten wir den neuen Bericht des Club of Rome verstehen: Als Warnung, als Aufruf. Nicht als Beschwörung der Apokalypse. Entgegen Hesekiel (3.1-3) sollten wir das Buch des Engels nicht aufessen, auch wenn’s im Munde süß wie Honig schmeckt, sondern hin und wieder darin lesen.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist er Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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