Zwischenruf Cold War reloaded
21.05.2012, 16:29 Uhr
Erstmals in der Geschichte der NATO verfügt das weltgrößte Militaerbündnis über eine eigene Raketenabwehr.
(Foto: dapd)
Die ersten Teile des Nato-Raketenschirms sind in Betrieb, prompt verschlechtern sich die Beziehungen zwischen Moskau und der Allianz. Russland droht mit Raketenangriffen auf die Anlagen. Eine davon steht in Deutschland. Da fällt ein kleiner Erfolg Westerwelles gar nicht auf.
Mit der Inbetriebnahme der ersten Bausteine des Raketenabwehrsystems der Nato ein weiteres Mal. Wiederholte Einigungsversuche, etwa der Vorschlag, Russland möge sich an dem Projekt beteiligen, waren letztlich an der Frage gescheitert, wer denn im Ernstfall den Knopf drückt. Apropos: Das passiert, wenn erforderlich, in der neuen Kommandozentrale im pfälzischen Ramstein. Hat jemand ernsthaft angenommen, Moskau würde dort in der Nato-Mannschaft mitspielen, wenn es am Rande des Spielfelds auf der Ersatzbank sitzt?
Andererseits war der russische Vorstoß, die Vereinigten Staaten respektive die Nato mögen sich an der russischen Radarstation in der Nähe des aserbaidschanischen Gabala beteiligen, ebenso unrealistisch. Gleichwohl war dieser Vorschlag etwas näher an der Realität: Wenn sich der Schirm gegen iranische Raketen richtet, so ist ein Teil davon in dem an den Iran grenzenden Aserbaidschan besser aufgehoben als vor der Nase des russischen Bären.
Russische Drohungen zeigen den Ernst der Lage
Es stimmt: Iranische Langstreckenraketen, wenngleich sie nicht ganz die Reichweitennorm von 2000 Kilometern erreichen, stellen eine Bedrohung dar. Aber warum wurden dann im ostpolnischen Morag, früher Mohrungen, acht Startrampen für amerikanische Kurzstreckenraketen vom Typ "Patriot" und 100 Mann zum Schutz des Radars bereitgestellt, wenn die "Patriots" nur bis zu 500 Kilometer weit fliegen können?
Wie ernst die Lage ist, zeigen die und Generalstabschef Nikolai Makarow in Moskau, Russland könnte seine nach langem Gezerre nun doch im Kaliningrader Gebiet stationierten operativ-taktischen "Iskander"-Flugkörper für einen Präventivschlag gegen den Nato-Schirm einsetzen. Das ist die Sprache des Kalten Krieges. Schon die Weigerung von Präsident Wladimir Putin, am Treffen der G8 in Chicago teilzunehmen und auch den Nato-Russland-Gipfel dort platzen zu lassen, waren unmissverständliche Zeichen. Gleichzeitig beginnt Moskau mit der Entwicklung neuer lasergesteuerter Waffensysteme, die Nato und die USA setzen auf das neue Konzept der "Smart Defense" und die Modernisierung des taktischen Nuklearwaffenarsenals.
Nein, es wird in Europa zu keinem Krieg zwischen Russland und der Nato kommen. Jede der Seiten ist sich der Konsequenzen bewusst. Aber eines ist gewiss: 2012 wird kein gutes Jahr für die internationale Sicherheit. Da hilft es auch wenig, wenn jetzt der Abzug der noch verbliebenen amerikanischen Atomsprengköpfe aus Deutschland nicht mehr völlig ausgeschlossen wird. Nebenbei: Ein kleiner Erfolg des sonst so arg gescholtenen deutschen Außenministers.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist er Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de