Politik

Streit um Raketenabwehr der Nato Russland droht und macht Angebot

Die Nato will auf dem Gipfel offiziell die begrenzte Einsatzbereitschaft ihres Raktenabwehrschirms erklären.

Die Nato will auf dem Gipfel offiziell die begrenzte Einsatzbereitschaft ihres Raktenabwehrschirms erklären.

(Foto: dapd)

Sicherheit ist das übergeordnete Thema des Nato-Gipfels in Chicago. In Zukunft sollen Raketen in der EU mögliche Angriffe aus der Luft abwehren, unbemannte Flugzeuge den Boden überwachen. Russland droht deshalb den USA und fordert öffentliche Gespräche. Das Militärbündnis muss sich derweil mit dem neuen französischen Präsidenten Hollande arrangieren, der wegen seiner Linie von den Taliban gelobt wird.

Milliarden-Investitionen in die militärische Führerschaft und die Sicherheit in Afghanistan - die Nato will für ein Jahrzehnt entscheidende Weichen stellen. Auch wenn vor dem größten Nato-Gipfel aller Zeiten in Chicago noch nicht alle Einzelheiten geklärt waren, gingen Diplomaten davon aus, dass die 28 Alliierten grünes Licht für die Projekte geben dürften.

Unter der Leitung von US-Präsident Barack Obama kommen auch die Partner des Bündnisses zu dem zweitägigen Treffen - annähernd fünf Dutzend Staats- und Regierungschef versammeln sich in der drittgrößten Stadt der USA. Tausende Sicherheitskräfte schützen die Veranstaltung. Schon vor dem Gipfel gerieten Polizei und Demonstranten aneinander,  jedoch gab es keine schweren Ausschreitungen. Allerdings wurde offenbar ein Anschlag auf Obamas Wahlkampfbüro vereitelt.

Protest aus Moskau

Bei dem Gipfel wollen die Staats- und Regierungschefs auch eine erste Stufe der neuen Nato-Raketenabwehr in Europa als einsatzbereit erklären. Die Planer gehen davon aus, dass das System, das gegen Angriffe Irans und Nordkoreas schützen soll, im Jahr 2020 fertig sein wird.

Die russische Führung sandte die üblichen Worte strikter Ablehnung. Bisher schlägt Moskau alle Angebote zur Zusammenarbeit aus. "Dieses System könnte die Illusion erwecken, dass ein Atomkrieg zu gewinnen ist", sagte Vize-Verteidigungsminister Anatoli Antonow. Derzeit müsse jeder Staat, der einen nuklearen Krieg beginne, mit der eigenen Auslöschung rechnen, so Antonow. "Dieses Gleichgewicht des Schreckens - so angsteinflößend es ist - ist ein zentrales Element der globalen Sicherheit." Mit einer Raketenabwehr verschaffe sich eine Seite aber einen Vorteil, der die Stabilität gefährde.

In Chicago blieb es weitgehend ruhig.

In Chicago blieb es weitgehend ruhig.

(Foto: REUTERS)

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach sich für ein erneutes  Zugehen auf die Regierung in Moskau aus. "Wir sind der Überzeugung, dass wir insgesamt die Sicherheitspolitik gemeinsam organisieren müssen mit Russland", sagte Westerwelle. "Wir wollen, dass Russland eingeladen bleibt mitzumachen, auch bei der Diskussion über den Raketenschirm."

"Nicht so harmlos, wie man sagt"

Russlands Vize-Verteidigungsminister schlug eine öffentliche Konferenz zu dem Projekt vor. "Dann würde sichtbar, dass das System nicht so harmlos ist, wie man sagt", betonte Antonow. Moskau sei zur Zusammenarbeit bereit. Russland droht mit einem möglichen Präventivschlag auf Anlagen, sollten die USA das Projekt umsetzen.

Der Kreml fordert Garantien, dass das Abwehrsystem nicht gegen Russland gerichtet sei. Zudem betont Moskau, nur einer gemeinsamen Raketenabwehr mit einem Leitungsstand zuzustimmen. Die Nato bietet zwei separate, eng verzahnte Systeme an. Das Bündnis argumentiert, die Sorge vor einer Veränderung des strategischen Gleichgewichts sei unbegründet. Ziel der Abwehr seien Raketen von "Schurkenstaaten".

Kluge Verteidigung?

Das Schlüsselprojekt heißt jedoch "Smart Defense", kluge Verteidigung. Die Bündnispartner wollen bei wichtigen Rüstungsprojekten enger zusammenarbeiten und somit Geld sparen angesichts der enormen Staatsverschuldung in den meisten Staaten der Nato. Es geht um etwa 25 Projekte unterschiedlicher Gruppen in der Nato - etwa für die gemeinsame Nutzung von Munition, das Beseitigen von Minen oder medizinische Kapazitäten.

Zudem soll das "Jahrhundertprojekt" AGS -, Bodenüberwachung aus der Luft - auf den Weg gebracht werden, das 13 Staaten anschaffen wollen, darunter auch Deutschland. Nach Angaben von Diplomaten kostet die Anschaffung von fünf unbemannten Flugzeugen etwa eine Milliarde Euro, der Betrieb des Systems weitere zwei Milliarden Euro. Die Kosten sollen auf alle 28 Mitglieder verteilt werden.

Taliban loben Hollande

Auch wenn Afghanistan erst Montag offiziell auf der Agenda steht, gibt es unter den Verbündeten eine Debatte - vor allem über den Vorstoß des neuen französischen Präsidenten François Hollande, seine Kampftruppen zwei Jahre früher als vereinbart abzuziehen, also bis Ende 2012.

Der Abzug der von der Nato geführten Isaf-Schutztruppe wurde im November 2010 für Ende 2014 festgelegt. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen wie auch Obama hatten stets bekräftigt, keiner der Verbündeten dürfe vorzeitig Afghanistan verlassen.  Die Taliban meldeten sich vor dem Gipfel zu Wort und riefen alle Truppensteller auf, ihre Truppen sofort aus Afghanistan abzuziehen. Zudem begrüßten sie die Ankündigung von Hollande.

Finanzielle Hilfe

Rasmussen versicherte in Chicago, das Bündnis werde Afghanistan im Kampf gegen radikalislamische Taliban und andere Aufstände auch nach 2014 unterstützen: "Wir werden einen neuen Einsatz haben, um die afghanischen Sicherheitskräfte auszubilden, zu beraten und zu unterstützen." Neben Ausbildern gehört dazu die Finanzierung von 4,1 Milliarden Dollar (3,2 Milliarden Euro) jährlich für den Unterhalt von Armee und Polizei Afghanistans. Deren Verteilung ist jedoch noch umstritten, auch wenn klar ist, dass wohl die USA den Löwenanteil übernehmen werden.

Zudem bekommt Afghanistan in den kommenden Jahren Finanzhilfen in Milliardenhöhe von der internationalen Gemeinschaft. Dies ist die Botschaft des G8-Gipfels der führenden Industriestaaten und Russlands.

Quelle: ntv.de, rpe/dpa

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