Zwischenruf Das Zweckbündnis ist geplatzt
16.09.2008, 15:31 UhrSie war stets ein Zweckbündnis und keine Liebesheirat, diese Allianz zwischen dem ukrainischen Staatschef Viktor Juschtschenko und Ministerpräsidentin Julia Timoschenko. Nun ist sie endgültig geplatzt. Wobei endgültig unter den Bedingungen des Landes durchaus nicht endgültig bedeuten muss.
Der Block Julia Timoschenko, wie sich die bürgerliche Partei der umtriebigen Regierungschefin nennt, hatte versucht, mit Hilfe der russisch-nationalistischen Partei der Regionen von Viktor Janukowitsch die Allmacht des Präsidenten zu beschneiden. Basis dieser heterogenen Koalition ist das gemeinsame Interesse, sich die Pfründe bei der bei weitem noch nicht abgeschlossenen Verteilung des einst sowjetischen Staatseigentums zu sichern. Dass die Kommunisten mit von der Partie sind, liegt vor allem an deren Bestreben, die Ukraine wieder an Russland anzunähern und einen Beitritt des Landes zur NATO zu verhindern.
Die Allianz könnte heterogener nicht sein. Noch 2004/2005 bei der so genannten orangefarbenen Revolution standen sich Timoschenko und Janukowitsch als scheinbar unversöhnliche Feinde gegenüber. Timoschenko war damals Verbündete Juschtschenkos, was diesen nicht darin hinderte, seine Partnerin schon kurz nach der "Revolution" wieder zu feuern und sie danach wieder einzusetzen.
Der Kreml im Vorteil
Timoschenko ist seit geraumer Zeit bemüht, sich für ihre Machtambitionen Rückendeckung aus Moskau zu verschaffen. Das Treffen mit Premier Wladimir Putin im Juni im Kreml hätte herzlicher kaum sein können; zu dieser Zeit war der Haftbefehl längst ad acta gelegt, versteht sich.
Wenn es nun zu Neuwahlen kommt, dürften neben dem Timoschenko-Block auch Janukowitschs Regionenpartei und, in geringerem Maße, die Kommunisten profitieren. Juschtschenkos Partei "Unsere Ukraine" war schon bei den kürzlich abgehaltenen Kommunalwahlen hoffnungslos eingebrochen. Damit hätten sich die Pläne der US-Regierung, neben Georgien auch die Ukraine möglichst rasch in die NATO aufzunehmen, zunächst erledigt. Timoschenko hatte Putin - allerdings ohne konkreten Termin - einen Volksentscheid darüber zugesagt. In Sachen Kaukasuskonflikt blieb Timoschenko, sehr zur Freude ihres Gastgebers, sehr zurückhaltend. In der Frage der Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte im ukrainischen Krimhafen Sewastopol zeigte sich die Besucherin aus Kiew flexibel: Der Vertrag läuft 2017 aus, bis dahin werde man eine Lösung gefunden haben. Inwieweit die Bestrebungen der Europäischen Union, der Ukraine eine beschleunigte Westintegration anzubieten Erfolg haben, ist ungewiss. Unter einer neuen Machtkonstellation in Kiew dürfte sich das ukrainische Interesse in jedem Fall weniger auf eine politisch-militärische denn auf wirtschaftliche Zusammenarbeit fokussieren.
Auch das neue Bündnis ist fragil. Janukowitsch, der sich auf den tatarischstämmigen milliardenschweren Oligarchen Rinat Achmetow stützt, hat selbst Ambitionen, auf den Ministerpräsidentensessel zurückzukehren. Ein Kompromiss könnte die Aufteilung der Posten des Präsidenten und des Regierungschefs zwischen Timoschenko und Janukowitsch sein. Das höchste Staatsamt hat aber Juschtschenko mindestens noch bis 2011 inne. Da können neue Bündnisse entstehen und alte wieder aus der Ablage hervorgekramt werden. Politische Stabilität ist in der Ukraine in den kommenden Jahren kaum zu erwarten. Das Gleiche gilt für politische Verlässlichkeit, sowohl aus der Sicht des Westens als auch Russlands. Auch wenn sich der Kreml zunächst einen deutlichen Vorteil verschafft hat.
Quelle: ntv.de