Zwischenruf Dauerbrenner Kosovo
26.07.2011, 15:48 UhrSchleichende Anerkennung bei Inkaufnahme militärischer Konfrontation: Dieses Konzept scheint das Kosovo mit der zeitweiligen Besetzung zweiter Grenzübergänge zu verfolgen. Serbien hingegen ist kaum an Spannung interessiert. Das Land will in die EU.
Wer geglaubt hatte, die Kosovofrage wäre mit der einseitigen Ausrufung der Unabhängigkeit gelöst, sieht sich – wieder einmal – getäuscht. Mit der zeitweiligen Besetzung zweier Grenzübergänge durch kosovo-albanische Spezialeinheiten wurde erstmals seit langem wieder die Gefahr einer militärischen Konfrontation deutlich. Allerdings stehen sich diesmal nicht serbische Freischärler und deutsche Kfor-Soldaten gegenüber wie 1999 in Prizren, sondern eben Kosovo-Albaner und Kfor. Der von der NATO geschaffenen Truppe obliegt die Kontrolle der Grenze. Dies zeugt nicht zuletzt davon, dass das laut UN-Sicherheitsratsresolution 1244 völkerrechtlich immer noch zu Serbien gehörende Gebiet eben kein wahrhaft unabhängiger Staat denn vielmehr ein Protektorat ist, in dem die UNO ihre Aufgaben weitgehend der EULEX-Mission der EU übertragen hat. EULEX wiederum hat die militärischen Aufgaben an die Atlantische Allianz delegiert.
Wer das Kosovo in Richtung serbisches Kernland verlässt, wird in mehreren Sprachen darauf hingewiesen, dass er eine Provinzgrenze überscheitet.
Beängstigend ist, dass die Aktion von dem auch international umstrittenen Chef der Kosovo-Regierung Hashim Thaci in einer Situation befohlen wurde, in der es zaghafte Anzeichen für normales Gebaren zwischen Belgrad und Pristina gab: Nach den ersten direkten Kontakten seit der Unabhängigkeitserklärung unter Schirmherrschaft der EU gestattet Serbien Kosovo-Albanern die Einreise mit ihrem eigentlich nicht anerkannten Personalausweis. Personenstandsregister sollen ausgetauscht, weitere Fragen des Alltags normalisiert werden. Gleichwohl vermeidet Belgrad alles, was wie eine offizielle Anerkennung der selbsternannten Republik aussehen könnte.
Moralisch ist das nicht
So auch diesmal: Die kosovo-albanischen Einheiten zogen sich zurück, nachdem im Nordkosovo lebende Serben die Blockade zweier wichtiger Durchgangsstraßen aufgegeben hatten. Diese Einigung kam durch direkten Kontakt zwischen Belgrad und Pristina zustande, bei dem der deutsche Kfor-Kommandeur Erhard Bühler vermittelt haben soll. Schleichende Anerkennung bei Inkaufnahme militärischer Konfrontation, scheint das Konzept des Kosovo zu sein. Serbien hingegen ist kaum an Spannung interessiert. Zynisch gesagt: Wahrscheinlich würde Präsident Boris Tadic auch einen eingefleischten Milosevic-Gegner wie Ex-Premier Vojislav Kostunica nach Den Haag ausliefern, nur um der Aufnahme in die EU einen weiteren Schritt näherzukommen. Moralisch ist beides nicht.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de