Kaum mehr Geld für Bundeswehr Der Ampelhaushalt ist feige und fatal
05.07.2024, 14:43 Uhr Artikel anhören
Beim "Tag der Bundeswehr" betrachten Besucher einen Eurofighter im Fliegerhorst Holzdorf.
(Foto: picture alliance/dpa)
Der Haushalt 2025 ist durch, alle Ampel-Parteien haben sichergestellt, dass sie irgendeine Erfolgsmeldung für ihre Klientel parat haben. Mit Geld für die Bundeswehr kann keine der drei punkten, also bleibt der Wehretat weit hinter dem zurück, was nötig wäre. Das ist verantwortungslos.
Im Februar dieses Jahres prägte ein markanter Satz die Debatte auf der Münchner Sicherheitskonferenz: "Ohne Sicherheit ist alles andere nichts." Tatsächlich: Was könnte wichtiger sein, grundlegender als ein freies, selbstbestimmtes Leben ohne Bedrohung? Gesagt hat diesen Satz Olaf Scholz. An einem Tag wie heute möchte man ihn fragen: "Herr Bundeskanzler, hören Sie sich eigentlich selbst zu?"
An einem Tag wie heute macht es nämlich nicht den Eindruck. Denn wenn ohne Sicherheit "alles andere" nichts ist, dann müsste die Konsequenz heißen: Bevor sich die Bundesregierung um "alles andere" kümmert, stellt sie erstmal Sicherheit her.
Die Krux daran: Wer Sicherheit will, darf sich nicht nur an dem orientieren, was gerade los ist, sondern muss das zum Maßstab nehmen, was passieren könnte, wenn's schlecht läuft. Leider läuft es oft schlecht. Was also, wenn zum Beispiel Russland den längeren Atem hat als die Ukraine. Wenn Putin als nächstes russische Minderheiten in Moldau "befreien" will. Oder im NATO-Land Litauen? Wenn China sich anschickt, Taiwan zu schlucken und der Iran die ersten Atomsprengköpfe ins Regal legt. Was machen wir dann? Hat die deutsche Position dann Gewicht, weil die Machtgierigen dieser Zeit sie flankiert von militärischer Stärke sehen?
Eindeutig: Nein.
Als Heeresinspekteur Alfons Mais im Februar 2022 feststellte, die Bundeswehr sei "mehr oder weniger blank", da hatte Deutschland noch nicht drei ihrer zwölf Patriot-Batterien in die Ukraine geschickt. Und 18 Leopard-Panzer. Und Artillerie-Munition. Da hatte noch niemand auch nur den Gedanken gefasst, eine ständige Brigade von 5000 Soldatinnen und Soldaten in Litauen zu stationieren, ausgestattet mit allem, was man dafür braucht. Auch das Ziel, den Wehrdienst zu reformieren, die Reserve aufwachsen zu lassen von derzeit 60.000 auf 260.000 Menschen - war alles noch kein Thema, als Mais seine eigene Truppe wegen Materialmangels für handlungsunfähig erklärte.
Wenige Tage nach Mais' alarmierender Feststellung wurde das Sondervermögen verkündet: 100 Milliarden Euro außer der Reihe, außerhalb des Haushalts, nur für Verteidigung. Das war richtig, doch dieses Geld ist bereits komplett verplant, unter anderem für moderne Tarnkappenjets und ein weiteres Flugabwehrsystem. Den gesamten Modernisierungsbedarf der Bundeswehr bezifferte die Wehrbeauftragte, SPD-Frau Eva Högl, im letzten Jahr auf 300 Milliarden Euro.
200 Milliarden fehlen also noch, um die Truppe den jetzigen Anforderungen angemessen auszurüsten, laut der Expertin der Bundesregierung. Die Ampel-Koalition wiederum beschloss in der gestrigen Nacht einen Haushalt 2025 mit einem Plus von 1,2 Milliarden für den Verteidigungsetat. Anders gesagt: Sie belässt die Bundeswehr bis auf weiteres in einem nicht verteidigungsfähigen Zustand.
So schlecht ging es der Truppe nicht immer. Bis Anfang der 1990er Jahre hatte sie 36 Patriots im Bestand und nicht nur 12. Bis Mitte der 1980er lagen die deutschen Verteidigungsausgaben im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung alljährlich bei 3 Prozent oder mehr. 3,4 Prozent im Durchschnitt erreichten sie während der fünfjährigen Kanzlerschaft von Willy Brandt.
Tobte damals, Anfang der 1970er Jahre, Krieg in Europa? Nein. Willy Brandt legte seiner Haushaltspolitik lediglich die Erkenntnis zugrunde, dass Sicherheit relevant ist (findet Scholz auch) und deshalb bezahlt werden muss (findet Scholz nicht).
Nach zweieinhalb Jahren russischem Eroberungskrieg in Europa hätte man der Ampel-Koalition gern zugetraut, dass sie in den Haushaltsverhandlungen 2025 Brandts Beispiel folgt. Leider ist das nicht der Fall.
Es wird keine signifikante Erhöhung des Verteidigungshaushalts geben. 1,2 statt der von Verteidigungsminister Boris Pistorius geforderten 6,5 zusätzlichen Milliarden Euro. Bei 481 Milliarden Euro Gesamtvolumen des Haushalts ist das enorm wenig.
Unter Sicherheitsexpertinnen und -experten herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass ein zweistelliger Milliardenbetrag zusätzlich pro Jahr notwendig wäre. Dann wären die dringend erforderlichen Schritte in Richtung einer Armee möglich, die tatsächlich in der Lage wäre, das Land gegen einen Angriff zu verteidigen. Eine solche Armee könnte einen potenziellen Angreifer abschrecken, wozu die Bundeswehr derzeit nicht in der Lage ist.
Eine Regierung, die sehenden Auges diesen Zustand beibehält, handelt verantwortungslos. Nur weiß sie: Das fällt kaum auf in Friedenszeiten.
Die Ampel stellt ihre Klientel zufrieden
Denn da liegt noch eine Krux bei den Ausgaben für Verteidigung: Mit ihnen lässt sich kein Blumentopf gewinnen, bei keiner Klientel. Die SPD muss in der Sozialpolitik ein paar Erfolge präsentieren, die Grünen wollen zeigen, dass sie für den Klimaschutz etwas durchsetzen konnten, und die FDP klopft sich dafür auf die Schulter, dass sie die Schuldenbremse bewahrt hat, wobei sie von der Union noch unterstützt wurde.
Mit Blick auf ein vorzeigbares Ergebnis, auf Umfragewerte, letztlich auf Machterhalt haben die drei Ampel-Parteien in der gestrigen Nacht wahrscheinlich geschickt verhandelt. Und die Ausgaben sind alle wichtig: Die Wirtschaft muss gefördert werden, die Bildungschancen für Kinder müssen sich verbessern, die Bahn braucht Investitionen, Menschen sollen ein würdiges Leben jenseits von Armut führen.
Nur: Wie lautete dieser grundlegende, markante Satz von Scholz? Ohne Sicherheit ist alles andere nichts. Die Ukrainer, die derzeit wieder jede Nacht ihre Kinder unter den Arm klemmen und im Keller oder in irgendeiner Tiefgarage Schutz vor russischen Raketen suchen, wissen, was dieser Satz bedeutet. Sie würden wohl gern noch mehr und noch schmerzhafter sparen in allen Bereichen, könnten sie dadurch Sicherheit erlangen.
Man könnte ihnen und ihrem Präsidenten zuhören, um zu lernen, wie man sich gegen solche Not wappnen kann. In Friedenszeiten. Aber die Chancen stehen schlecht bei einem Kanzler, der nicht mal sich selbst zuhört.
Quelle: ntv.de