Die alte Garde der Grünen tritt ab Der Generationswechsel ist eine Chance
25.09.2013, 13:20 Uhr
Seit Anfang an dabei: Künast, Trittin und Roth (v.l.).
(Foto: picture alliance / dpa)
Sie haben nicht nur die Grünen geprägt, sondern die Politik Deutschlands der vergangenen 30 Jahre. Jürgen Trittin, Renate Künast und Claudia Roth sind wortgewaltige, charismatische Persönlichkeiten. Die Partei hat trotzdem keinen Grund, ihnen nachzutrauern.
In jeder anderen Partei wären Jürgen Trittin, Renate Künast und Claudia Roth im besten Alter und in bester Verfassung für Führungsämter. Trittin ist 59, Künast 57 und Roth 58 Jahre alt. Alle drei haben Regierungserfahrung, kennen die Kniffe des innerparteilichen Taktierens. Sie sind, jeder für sich, rhetorisch brillant. Kurzum: Die drei sind erfahrene, charismatische Politiker. Doch die Grünen sind nicht wie jede andere Partei.
Ja, bei der Partei endet eine Ära. Trittin, Künast und Roth haben die deutsche Politik in den vergangenen 30 Jahren geprägt. Doch der Generationswechsel ist eine Chance. Für grüne Verhältnisse klebten die Mitglieder der Gründergeneration viel zu lange an ihren Ämtern.
Der Rückzug ist überfällig

Ein potenzieller Trittin-Nachfolger: Anton Hofreiter, 43 Jahre alt, Biologe und Bewerber um das Amt des Fraktionschefs.
(Foto: picture alliance / dpa)
2005 mussten sie ihre erste große Niederlage hinnehmen. Die Wähler entschieden sich gegen eine rot-grüne Koalition. Joschka Fischer ging, doch die Grünen blieben in der Hand der Gründergeneration. 2011 scheiterte Künast mit ihrer Kandidatur für das Amt des Berliner Oberbürgermeisters. In der Grünen-Spitze blieb sie. 2012 musste Roth eine gewaltige Niederlage bei der Urwahl der Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl einstecken. Kaum jeder vierte Grüne wollte sie für das Amt. Doch Roth blieb Bundesvorsitzende.
Die Gründergeneration der Grünen hat in erheblichem Maße dazu beigetragen, dass die Partei heute wirkt, wie sie nie wirken wollte: wie eine Partei. Eine Partei mit Spitzenkandidaten, die an ihren Ämtern kleben, eine Partei, in der Machtmenschen den Kurs vorgeben. Die Grünen haben in den vergangen Jahren ihren Zauber verloren. Nur deshalb gelang es ihnen auch nicht, den Ruf der Verbotspartei, den Union und FDP ihr anzuhängen wussten, abzuschütteln.
Die Grünen haben ihre Werte und ihr Menschenbild schon immer offensiv vertreten. Früher hatte das bei der Partei den Charme der Revolution. Zuletzt, da sie wie eine etablierte Partei auftraten, wirkten sie auf viele wie Moralapostel. Einer neuen Generation könnte es gelingen, dieses Bild zu ändern. Das beste Beispiel dafür ist der mögliche Nachfolger Trittins, Anton Hofreiter. Und das nicht nur, weil er mit seinem langen blonden Haar und seinem Vollbart schon äußerlich an die Grünen der 1980er Jahre erinnert. Er kann provozieren, das hat er als Vorsitzender des Verkehrsausschusses unter anderem beim Streit um Stuttgart 21 bewiesen. Für den studierten Biologen steht zudem die Umwelt- und Klimapolitik ganz oben auf der Prioritätenliste.
Der Generationswechsel eröffnet eine Regierungsoption
Der Generationswechsel ist aber auch aus einem zweiten Grund ein Gewinn: Die historisch kulturellen Gräben zwischen Grünen und Union verengen sich durch ihn ein wenig. Zudem erstarkt der Realo-Flügel der Partei, weil es künftig keinen linken Obergrünen mehr gibt, der die Partei dominiert. Beides zusammengenommen ermöglicht Koalitionen mit der CDU. Nicht 2013. Dafür war der Linksruck der Grünen vor der Wahl zu heftig. Zudem würde sich die Partei restlos unglaubwürdig machen, weil sie dieses Bündnis bis zum 22. September mit aller Vehemenz abgelehnt hat.
2017 allerdings könnte es möglich sein. Und das stärkt die Grünen. Nicht, weil eine solche Koalition aus grüner Sicht besonders wünschenswert wäre. Mit den Sozialdemokraten könnten die Grünen ihre Ziele sicher leichter umsetzen. Aber weil die Grünen dann trotz einer schwachen SPD wieder eine Regierungsoption hätten. Dass die fehlte, hat bei dieser Bundestagswahl erheblich dazu beigetragen, dass die Grünen potenzielle Wähler nicht mobilisieren konnten.
Quelle: ntv.de