Zwischenruf 359 Der blaue Tsunami ist abgeflaut
18.06.2007, 16:37 UhrVon Manfred Bleskin
Sarkozy ja, aber nicht zu viel. Mit ihrem Votum bei der zweiten Runde der Wahlen zur Nationalversammlung haben die Franzosen gezeigt, dass sie weiter zum Projekt ihres quirligen Präsidenten stehen. Doch sie haben die Welle der Euphorie, auf der der Konservative zur Zweidrittelmehrheit schwimmen wollte, zum Stehen gebracht. Zwar hat seine UMP am Sonntag an den Urnen die absolute Mehrheit erreicht, doch zum Durchregieren reicht es nun nicht mehr. Dazu hat sicher auch die Furcht vor der angekündigten Erhöhung der Mehrwertsteuer um fünf Prozent und den Plänen, die Zahl der Staatsangestellten drastisch zu verringern, beigetragen.
Doch das ist es nicht allein. Freilich hat die Linke, vor allem die Sozialisten, von der niedrigen Wahlbeteiligung von knapp 50 Prozent profitiert. Zu viele konservative Wähler mögen geglaubt haben, der "Plan Sarkozy" sei in Sack und Tüten. Andererseits hat der Aufruf, sich Nicolas Sarkozys "neoliberalem und antisozialem Projekt“ entgegenzustellen, so manchen, der die Zukunft fatalistisch blau gesehen hatte, zur Rückbesinnung auf seine roten Wurzeln bewogen.
Das schlechte Abschneiden der liberalen Mitte um Franois Bayrou zeigt, dass Frankreich politisch unverändert in ein rechtes und ein linkes Lager gespalten ist. Wer geglaubt hatte, im Parlament würde künftig ohne spürbare Opposition legisliert, sieht sich getäuscht. Neben parlamentarischem Gegenwind wird sich Sarkozy auf außerparlamentarischen Widerstand einstellen müssen. Franois Thibault, der Vorsitzende der kommunistischen Gewerkschaft CGT, hatte schon nach dem ersten Wahlgang angekündigt, dass die "Opposition künftig mehr auf der Straße stattfinden wird". Schon jetzt rechnet man in Paris mit einem heißen Herbst.
Dazu wird die Linke zunächst aber mit sich selbst ins Reine kommen müssen. Die Sozialisten stehen vor der Frage, ob sich die Partei godesbergisiert oder ihren reformsozialistischen Kurs beibehält. Sollte die PS mit einer möglichen Vorsitzenden Sgolne Royal ihrer deutschen Schwesterpartei nacheifern, ist eine linke Abspaltung nicht ausgeschlossen. Die Kommunisten, die gleichfalls mehr Stimmen als erwartet bekamen, stehen vor dem Dilemma radikale Systemopposition oder reformistische Trippelschritte.
Wie auch immer: Der "tsunami bleu" ist zwar abgeflaut, aber ein kräftiger blauer Orkan bleibt allemal.
Quelle: ntv.de