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Obama verkleinert Afghanistan-Truppe Der falsche Schritt vor dem richtigen

US-Soldaten auf Patrouille in Afghanistan.

US-Soldaten auf Patrouille in Afghanistan.

(Foto: REUTERS)

"Politik ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln", heißt die Verdrehung eines Ausspruches. US-Präsident Obama kehrt in Afghanistan langsam zur Diplomatie zurück. Doch damit das gelingt, hätte er die militärische Drohkulisse erhalten sollen.

Es war George W. Bush, der nach den Anschlägen vom 11. September 2001 den "Krieg gegen den Terror" ausrief – hemdsärmelig, auf den Trümmern der zusammengestürzten WTC-Tower. Die Nation wollte Rache – schnell und gründlich. Barack Obama erbte die Folgen. Und die sind immer heftig, wenn Frieden mit Waffengewalt erreicht werden soll. Tausende Tote, Kosten in Milliardenhöhe und schlechte Umfragewerte, wenn es nicht richtig vorwärts geht. Obama sucht mit seiner Entscheidung, das Truppenkontingent am Hindukusch zunächst deutlich zu verkleinern, um 2014 dann endgültig aus dem rauen Gelände zu fliehen, das Ende seines Sturzfluges in den Umfragen. Keine 40 Prozent der US-Bürger würden Obama zurzeit wählen. Die Riege der republikanischen Herausforderer, die sich bereits für die Wahl 2012 positionieren, liegt deutlich darüber.

Obama: Hat er den richtigen Zeitpunkt erwischt?

Obama: Hat er den richtigen Zeitpunkt erwischt?

(Foto: REUTERS)

Ja, es ist profan und unbefriedigend, aber hier entscheiden innenpolitische Gründe vor dem tatsächlichen Ist-Zustand. Die Macht der Taliban ist weder in Afghanistan noch in Pakistan endgültig gebrochen. Erste Erfolge zeigten sich erst, als Obama 2009 die tausende Soldaten zusätzlich schickte, die er nun wieder nach Hause ruft. Fazit: Ein Krieg, der von Beginn an fragwürdig war, wird nun wohl auch noch zu früh abgebrochen. Auch, weil die anderen an der ISAF beteiligten Nationen Obamas Weg als Signal verstehen werden, sich nun schnellstens aus dem Staub zu machen.

Positiv an der Entwicklung ist, dass die US-Regierung Gespräche mit den Taliban aufgenommen hat. Diplomaten nehmen im Gefolge von Soldaten den Weg in die Gebiete der Radikalen auf sich. Endlich ist in Washington die Erkenntnis angekommen, dass auch ungeliebte, islamistische Bevölkerungsgruppen immer noch Bevölkerungsgruppen sind. Und dass Frieden undenkbar ist, wenn nicht alle relevanten Gruppen an einem Tisch sitzen.

Doch es gibt ein großes Aber an dieser Stelle. Denn ob der Abzug jetzt, also zu Beginn dieser Gespräche, die richtige Entscheidung ist, muss stark bezweifelt werden. Das mühsam erstrittene und teuer bezahlte Gleichgewicht der Kräfte wird durch Obamas Entscheidung wieder zu Gunsten der Taliban aufgehoben. Was sollte die Islamisten nun daran hindern, quasi pro forma Gespräche zu führen, um nach 2014 das Rad in Afghanistan wieder zurückzudrehen? Nein, der Druck hätte konsequenterweise hoch bleiben müssen.

Quelle: ntv.de

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