Von Cameron fast erdrückt Der liberale Bettvorleger
06.05.2011, 20:48 UhrAlles bleibt, wie es war: Großbritannien behält sein Mehrheitswahlsystem. Nick Clegg und seine Liberaldemokraten scheitern mit ihrem Reformversuch. Der Vizepremier avanciert immer mehr zur tragischen Figur der britischen Politik. Premierminister Cameron muss nun mit einem geschwächten Koalitionspartner weiterregieren.
Sechs, setzen! Diese Note verpassten die Briten den Liberaldemokraten und vor allem deren Chef Nick Clegg. Bei den Regionalwahlen in Schottland spielten sie keine große Rolle. Auch bei Kommunalwahlen in einigen Teilen des Vereinigten Königreichs wurden die Gelben kräftig abgestraft. Aber es kam noch schlimmer: Die von den Liberalen angestrebte Reform des Wahlrechts fand beim britischen Wähler keine Zustimmung. Wie das Jahr 1992 für Queen Elizabeth II., ist 2011 bereits jetzt für den 44-jährigen Clegg ein "annus horribilis".
Ja, Vize-Regierungschefs haben es nicht leicht. Der Noch-Vorsitzende der deutschen Liberalen, Guido Westerwelle, kann ein Lied davon singen. Dieser ging mit einem wichtigen Thema, nämlich Steuersenkung, in die Wahl und sammelte für seine FDP fleißig Wählerstimmen ein. Aus einem "niedrigeren, einfacheren und gerechteren Steuersystem" ist bekanntlich bis jetzt nichts geworden. Die Umfrageergebnisse für Westerwelle und seine Partei sind bekannt.
Clegg und seine LibDems verbissen sich dagegen regelrecht in das Thema Wahlrechtsreform. Das Koalitionsklima litt in London darunter beträchtlich; die Koalitionäre bekriegten sich im Vorfeld des Votums via Medien. Kein Tag verging, ohne dass sich gegenseitig kräftig gegen das Schienbein getreten wurde.
David Cameron und seine Konservativen mussten die Kröte Wahlrechtsreform-Abstimmung schlucken, um Clegg und die Seinen in die Regierung zu bekommen. Das erweist sich jetzt als kluger Schachzug. Der Premierminister hat Clegg umarmt und dabei fast erdrückt. Einerseits schätzte er die Stimmung seiner Landsleute in dieser Frage richtig ein. Andererseits war auch das zur Wahl stehende "Alternative Vote", das zum Beispiel dem in Deutschland existierenden Verhältniswahlrecht nicht identisch ist, den meisten Untertanen Ihrer Majestät suspekt, weil auch viel zu kompliziert.
Auch für Sparkurs abgestraft
Aber der Niedergang der Clegg-Partei hat auch andere Ursachen. Vor der Unterhauswahl im Mai 2010 hatte sie in völliger Verkennung der Realität unhaltbare soziale Versprechungen gemacht. Durchgesetzt haben sich die Tories mit dem bislang größten Sparprogramm der britischen Nachkriegsgeschichte. Clegg wollte die Studiengebühren reduzieren; Cameron und sein finanzpolitischer Hofhund, Schatzkanzler George Osborne, setzten eine Verdreifachung der Gebühren durch. Die Liberalen nickten die Maßnahme zähneknirschend mit ab. Clegg, der im Wahlkampf als Tiger gestartet war, ist nun als Bettvorleger gelandet.
Trotz dieser verheerenden Niederlagen werden die LibDems wohl brav in der Regierung bleiben. Ein Bruch der Koalition und Neuwahlen würden nur Camerons Tories und der oppositionellen Labour Party, die in der Wahlrechtsfrage übrigens gespalten war, in die Karten spielen. Zudem erfordern die nach wie vor schwierige ökonomische Lage Großbritanniens und der fulminante Wahlsieg der Nationalisten in Schottland, die eine größere Autonomie des nördlichen Landesteils auf der Insel anstreben, eine stabile Regierung in London.
Unklar ist allerdings das politische Schicksal des Nick Clegg. In den liberalen Hinterzimmern werden bereits die Messer gewetzt. Aus dem Popstar von Westminster ist binnen kurzer Zeit ein Parteichef auf Abruf geworden.
Quelle: ntv.de