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Zwischenruf Die ANC-Spaltung ist richtig

Mit der bevorstehenden Gründung einer neuen Partei durch Dissidenten des regierenden ANC durchläuft die Parteienlandschaft Südafrikas eine durchaus natürliche und folgerichtige Entwicklung der sozialen und politischen Differenzierung.

Der 1923 entstandene Afrikanische Nationalkongress war von Anfang an keine Partei im herkömmlichen Sinne, sondern eine Befreiungsbewegung. Einigendes Band war der Kampf gegen die Apartheid. Im Vordergrund stand die beispiellose soziale Diskriminierung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit durch die weiße Minderheit. Wer nicht weiß war, war zumeist auch arm und entrechtet.

Seit den ersten freien Wahlen im April 1994 regiert der ANC mit absoluter Mehrheit, seit 2004 gar mit Zweidrittelmajorität. Dabei stützt sich die Bewegung auf eine Allianz mit dem mächtigen Gewerkschaftsdachverband COSATU und der kommunistischen SACP. Dieses Bündnis hält bis auf den Tag. Gleichwohl waren die Beziehungen zwischen der Führungsriege um Präsident Thabo Mbeki auf der einen, den linken Kräfte im ANC, der COSATU und der SACP auf der anderen Seite extremen Belastungen ausgesetzt, die schließlich zur Abwahl des Ex-Kommunisten als ANC- und seinem Rücktritt als Staatschef führten. Hintergrund waren konträre Auffassungen über die soziale und wirtschaftliche Gestaltung des Landes.

Obzwar die faktisch neoliberale Wirtschaftspolitik durch umfangreiche sozialpolitische Maßnahmen flankiert wurde, ist es nicht gelungen, die Lage der Mehrheit der farbigen Bevölkerung grundlegend zum Positiven zu verändern. Vielmehr entstand eine schwarze Mittel- und Oberschicht, die sich in den Methoden ihres Umgangs mit ihren einstigen Brüdern und Schwestern nur wenig von den Buren unterschied. Bittere Ironie der Geschichte war es, dass einige der Aktivisten des ANC und seiner früheren „Umkhonto We Sizwe“-Guerilla heute zu den oberen Zehntausend gehören.

Mit der Wahl von Jacob Zuma zum Chef des ANC sind die Hoffnungen gewachsen, dass die Bewegung der Sozialpolitik wieder den Vorrang einräumt. Sicher ist das nicht. Zuma, der trotz der bevorstehenden Abspaltung unverändert Chancen hat, Mbeki auch im höchsten Staatsamt zu beerben, gilt als sprunghaft mit einem starken Hang zum Populismus.

Die neue Partei will sich in Anlehnung an den ANC Südafrikanischer Demokratischer Kongress nennen, die offizielle Gründung soll am 16. Dezember in Bloemfontein stattfinden. Wie auch der wahrscheinliche Name sollen auch Datum und Ort an die Traditionen des Widerstands erinnern. Am 16. Dezember 1960 hatte der ANC unter Führung von Nelson Mandela den bewaffneten Kampf gegen das Rassistenregime begonnen, in der heutigen Hauptstadt der Freistaat-Provinz wurde die Bewegung vor fast hundert Jahren gegründet. Vielleicht steht die Wahl des ersten Tagungsortes aber eher für die Ziele: Die rund siebentausend Dissidenten hatten den reichen Johannesburger Stadtteil Standton auserkoren. Sie sehen sich selbst als Anhänger von Mbeki, wenngleich nicht damit zu rechnen ist, dass dieser sich offen für die neue Gruppierung ausspricht. Freiheitsikone Nelson Mandela ließ erklären, er bedauere die Entwicklung. Umfragen billigen der neuen Gruppierung fünf bis 15 Prozent der Stimmen zu. Frühere Abspaltungen des ANC waren in der Versenkung verschwunden. Das muss heute nicht so bleiben. Der soziale Boden ist vorhanden. Die Verteidigung der Zweidrittelmehrheit ist für den ANC schwieriger, aber nicht unmöglich geworden, solange das Bündnis mit COSATU und SACP intakt bleibt. Aber auch mit einem Zuma an der Spitze von ANC und Staat sind Brüche nicht auszuschließen. Insofern ist die Gründung einer neuen Partei ein Schritt hin zur weiteren Ausprägung der Demokratie im Süden Afrikas.

Quelle: ntv.de

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