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Flucht nach vorn Die Ampel ist Geschichte und das ist auch gut so

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Kanzler Scholz feuert FDP-Chef Lindner als Finanzminister und sprengt damit die Ampelkoalition. Das war so überfällig, dass er auch das einzige Gegenargument entkräftet.

Präsidenten und das ganze Drumherum wären genug Nachrichten für einen Tag gewesen - doch am Abend kam dann der nächste Kracher. Die Ampelkoalition zerbricht. Auf spektakuläre Weise, soweit das überhaupt geht, wenn Olaf Scholz beteiligt ist. Aber wie er Christian Lindner mindestens achtkantig rausgeschmissen hat, konnte dramaturgisch durchaus mit dem mithalten, was man von Trump gewohnt ist.

Mit einem wichtigen Unterschied: Scholz hat eindeutig richtig gehandelt. So konnte es nicht mehr weitergehen. Die Zeiten waren ohnehin schon schwierig, aber mit der Wahl Trumps bricht noch einmal ein großes Stück Berechenbarkeit weg. Einfach so weiter wurschteln, das reicht nicht mehr. Das galt zwar auch schon vor dem Wahlabend in den USA, aber jetzt erst recht. Wichtige Entscheidungen müssen getroffen werden. Die Wirtschaft und die Ukraine brauchen Klarheit, auch die europäischen Partner. Nicht zuletzt verdienen die Menschen im Land eine Regierung, die an einem Strang zieht.

Es gab nur ein Argument, es doch noch einmal zu versuchen. Dass Deutschland als Stabilitätsanker sich jetzt nicht auch noch innenpolitisch lähmen sollte. Doch überzeugend war das nicht. Durch den Dauerstreit, die ungeklärten Richtungsentscheidungen, war die Bundesregierung ohnehin gelähmt. Und es sah beim besten Willen nicht danach aus, dass sich daran etwas ändern würde. So hatte der Ifo-Präsident Clemens Fuest völlig recht, als er bei ntv die einfache Wahrheit aussprach: "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende."

Es ist auch gut, dass es jetzt bald Neuwahlen geben soll. Denn die Entscheidungen, um die es geht, geben das her. Soll die Schuldenbremse noch einmal ausgesetzt werden, um in dieser historisch anspruchsvollen Lage nicht blank dazustehen? Um die Bundeswehr zu stärken, der Ukraine zu helfen und die Wirtschaft zu unterstützen? Oder, so wie die FDP, aber auch CDU und CSU fordern, gerade jetzt nicht neue Schulden zu machen und lieber im Haushalt zu sparen? Dass dann Sozialleistungen ganz oben auf der Streichliste stehen dürften, ist keine böswillige Unterstellung.

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Auch in Sachen Zuwanderung steht womöglich eine große Entscheidung an: die, ob es beim bisherigen individuellen Recht auf Asyl bleiben kann. Die CDU beispielsweise will lieber eine Kontingentlösung. Deutschland soll jedes Jahr eine bestimmte Zahl an Flüchtlingen aufnehmen, sie sich aber selbst aussuchen. Doch eine Einschränkung des individuellen Rechts auf Asyl bedarf einer Grundgesetzänderung mit Zweidrittelmehrheit im Bundestag. SPD und Grüne stehen dafür nicht zur Verfügung, AfD und BSW dagegen schon. Auch diese Frage ist so groß, dass sie breit in einem Wahlkampf diskutiert werden kann.

Die nächsten zwei bis vier Monate werden spannend, so viel ist sicher. FDP, SPD und Grüne werden weiter streiten, darüber, wer nun die Schuld an dem Schlamassel trägt. Das können sie gern tun. Hinhören muss man nun aber nicht mehr. Spannender ist die Frage, ob Friedrich Merz und die Union nun Scholz‘ Angebot annehmen, bis zu den Neuwahlen mit der rot-grünen Minderheitsregierung - denn das ist sie jetzt - zusammenzuarbeiten. Das Ende der Koalition bietet für alle Beteiligten und mehr noch fürs Land eine Chance: die Chance auf die Flucht nach vorn. War auch höchste Zeit.

Quelle: ntv.de

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