Löwe in Bayern, Kätzchen im Bund? Die CSU hat ihre Kraft nicht verloren
16.12.2013, 18:58 Uhr
Der Dritte im Bunde: Horst Seehofer, Angela Merkel und Sigmar Gabriel unterzeichneten an diesem Montag den Koalitionsvertrag.
(Foto: dpa)
Die Ressortverteilung zeigt, dass die CSU in Berlin nicht so stark ist wie das Auftreten ihres Parteichefs Seehofer suggeriert. Daraus auf eine Schwäche der Christsozialen zu schließen, wäre allerdings grundfalsch.
Die CSU werde ein verlässlicher, aber eigenständiger Partner sein, sagte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer bei der Feier zur Unterzeichnung des schwarz-roten Koalitionsvertrags. Da war es wieder, das bayerische Selbstbewusstsein.
Nicht ganz so selbstbewusst hatte Seehofer am Sonntag gewirkt, als er bei einer Pressekonferenz in München die Namen der CSU-Minister in der künftigen Bundesregierung nannte. Er dürfte sich zuvor bei der Vorstandssitzung der CSU einiges an Kritik angehört haben. Den Journalisten sagte er zwar: "Ich bin hoch zufrieden, hoch glücklich, meine Partei auch." Aber zugleich wirkte er ungewohnt defensiv: "Ich bin froh, dass wir die drei Bundesminister haben. Die CDU verliert einen Bundesminister, wenn ich daran mal erinnern darf." Schließlich handele es sich nicht um eine "kleine Koalition" wie mit der FDP.
Leicht obskur wirkten Seehofers Versuche, die CSU-Ressorts groß zu reden. Das Verkehrsministerium nannte er wegen der neuen Zuständigkeit für die digitale Infrastruktur ein "Superministerium". Das Entwicklungsministerium sei ja schon früher als "Außenministerium der CSU" bezeichnet worden. Die Bauern hätten erwartet, dass die CSU sich weiter um sie kümmere, daher das Agrarressort. Und schließlich dürfe man nicht vergessen, dass die CSU einen Staatssekretär ins Bildungsministerium schicken werde.
Der Mythos CSU lebt
Doch klar ist: Auf Bundesebene wirkt die CSU geschwächt. In den kommenden vier Jahren wird die Partei in einer eigenartigen, schizophrenen Situation leben. In Bayern ist sie stark wie lange nicht, dort sitzen gleich drei potenzielle Seehofer-Nachfolger in der Staatsregierung. Am Kabinettstisch in Berlin ist sie die mit Abstand kleinste Partei in einer Dreier-Koalition. Doch wer denkt, die CSU habe ihre Kraft verloren, der irrt.
"Der Mythos CSU lebt, die Volkspartei CSU ist putzmunter, die Identität zwischen Bayern und der CSU war nie größer", diagnostizierte Seehofer zutreffend auf dem Parteitag im November. Der Schock von 2008, als die Christsozialen in Bayern erstmals seit den 1960er Jahren auf einen Koalitionspartner angewiesen war, ist längst überwunden. Seehofer hat verstanden, dass die Machtbasis der CSU nicht vornehmlich, sondern ausschließlich in Bayern liegt: Ohne Beteiligung an einer Bundesregierung kann die CSU problemlos überleben. Viel schwieriger wird es, wenn sie in Bayern die absolute Mehrheit verliert.
Bundesinnenministerium ist nicht entscheidend
Nach den Koalitionsverhandlungen hatte sich die CSU drei Wochen im Glücksgefühl gewogen, ihre drei Ministerien aus der schwarz-gelben in die Koalition mit der SPD gerettet zu haben. "Große Beute" habe man gemacht, freuten sich CSU-Politiker. Dann stellte sich heraus: Ein klassisches Ministerium ist gar nicht dabei. Verkehr, Agrar, Entwicklungshilfe, das war's. Das Innenministerium: weg. Die Zuständigkeit für Bauen und Wohnen: verloren ans Umweltministerium. Verbraucherschutz: ebenfalls weg, SPD-Justizminister Heiko Maas wird künftig dafür verantwortlich zeichnen. Zwar wandert die Kompetenz für den Ausbau der digitalen Infrastruktur vom Wirtschafts- ins Verkehrsministerium. Ein "Internetminister" ist Alexander Dobrindt damit jedoch noch lange nicht.
Doch ob die CSU den Bundesinnenminister stellt, ist nicht entscheidend. Hauptsache, sie kann im Bund überhaupt ein Wort mitsprechen. In dieser Logik war es richtig, lieber drei weniger wichtige Ministerien zu nehmen, als für das Innenministerium zu kämpfen und dafür am Ende nur mit zwei Ressorts vorlieb nehmen zu müssen. Im Zweifel wird Seehofer sich ohnehin selbst um den Einfluss der CSU in Berlin kümmern. Im November sagte Seehofer zu Merkel, er werde vorerst ein schnurrendes Kätzchen bleiben. Nach den Koalitionsverhandlungen könne sich das aber auch wieder ändern. Genau das dürfte bald passieren.
Quelle: ntv.de