Zwischenruf Die Lunte aus der Hand legen
04.08.2010, 13:45 Uhr
Ahmadinedschad schüttelt Hände von Anhängern in Teheran.
(Foto: REUTERS)
Die Meldungen über einen Anschlag auf Irans Präsidenten Ahmadinedschad zeigen: Die Lage ist zum Zerreißen gespannt. Darüber täuschen auch Jubelbilder aus Teheran nicht hinweg.
Ob es nun einen auf den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad gegeben hat oder nicht, ist zunächst zweitrangig. Allein der Umstand, dass oppositionelle Kräfte aus dem In- und/oder Ausland, möglicherweise auch ausländische Staaten, zum Mittel des virtuellen oder realen Terrors gegen den obersten Repräsentanten des Regimes greifen, zeigt, dass die Lage bis zum Zerreißen gespannt ist. Darüber können auch die Jubelbilder, die das staatliche Fernsehen im Anschluss an die Meldungen über das missglückte Attentat aus dem im Nordwesten des Landes gelegenen Hamadan zeigt, nicht hinwegtäuschen. Ahmadinedschad steht eine, wenn auch zersplitterte, Opposition gegenüber, die zu großangelegten Protestaktionen fähig ist. Selbst Mullahs gehen auf Distanz zum Staatschef. Dessen wichtigste Machtbasis bleiben die sogenannten Revolutionsgarden.
Die Zurückhaltung des führenden, in Katar ansässigen, arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira in der Behandlung des Themas lässt zumindest Zweifel am Wahrheitsgehalt der Meldung aufkommen. Fragwürdig ist die Primärquelle: Zuerst hatte der libanesische Privatkanal Future TV über das angebliche Attentat berichtet. Der Sender war vom 2005 ermordeten pro-westlichen Ministerpräsidenten des Libanon, , gegründet worden. Nachdem bislang kein schlüssiger Beweis für eine mutmaßliche syrische Urheberschaft des Attentats erbracht werden konnte, heißt es nun, die Hisbollah stünde hinter dem Mord. Sowohl die libanesische Schiitenpartei als auch Damaskus gehören neben den irakischen Schiiten zu den engsten Verbündeten des Iran in der Region. Erst am Dienstag war es an der libanesisch-israelischen Grenze zu einem zwischen der regulären Armee des Zedernstaates und israelischen Einheiten gekommen. Administrativ und militärisch kontrolliert wird der Südlibanon aber von den Milizen der Hisbollah.
Die Meldung von Future TV wurde von Al-Dschasiras Konkurrent Al-Arabija aus dem Golf-Emirat Dubai übernommen. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), deren Teilstaat Dubai ist, fürchten sich ebenso wie andere arabische Länder vor einer iranischen Atombombe. Der VAE-Botschafter in den USA wollte kürzlich sogar nicht ausschließen, dass der Staatenbund nichts gegen einen militärischen Angriff auf die Islamische Republik hätte. Erst vor Tagesfrist hatte Teheran für den Fall eines US-Angriffs mit einem Gegenschlag gedroht.
Die Lage in der Region ist brenzlig. Alle Seiten sollten Ruhe bewahren und die Lunte austreten.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de