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Berlusconi ist politisch tot Die Märkte kann man nicht kaufen

Berlusconi beim G20-Gipfel in Cannes. Vielleicht sein letzter Auftritt auf internationalem Parkett.

Berlusconi beim G20-Gipfel in Cannes. Vielleicht sein letzter Auftritt auf internationalem Parkett.

(Foto: dpa)

Die Italiener zu belügen, ist Berlusconi immer leicht gefallen. Sie wollten belogen werden. Es sind letztlich die "Finanzmärkte", die Berlusconi dazu zwingen werden, seinen Worten auch Taten folgen zu lassen.

Acht Verräter. Berlusconi schäumt, aber die "Mathematik ist keine Meinung", da zählen nur die Zahlen, heißt es in Italien, und 308 sind 8 zu wenig. Bei der letzten Vertrauensabstimmung hatte Silvio Berlusconi 316 Stimmen, jetzt stehen ihm noch 308 Abgeordnete treu zu Seite. Die Abstimmung zum Rechenschaftsbericht, üblicherweise eine reine Formsache, hat das Ende von 17 Jahren Berlusconi-Herrschaft in Italien eingeläutet.

Dem Staatspräsidenten Giorgio Napolitano musste er versprechen, nach der Annahme des Stabilitätsgesetzes zur Rettung Italiens, des Euros, eines Sparhaushaltes sondergleichen, den Rücktritt zu erklären. Am 15. November stimmt der Senat ab, vor dem 18. November ist es für das Abgeordnetenhaus nicht zu schaffen. Dann soll Schluss sein.

Warum sollte man ihm das Versprechen glauben - hat er sich doch bisher an kein Versprechen gehalten? Klar ist, noch immer spielt er auf Zeit. Wird ihm das gelingen? Wohl kaum. Die Italiener zu belügen, ist ihm immer leicht gefallen. Immer wieder haben sie ihm verziehen. Ja, sie wollten belogen werden. Sie liebten seine Geschichten. Die internationalen Märkte aber wollen Fakten sehen. Sie kann Berlusconi nicht hinters Licht führen, mit seiner geballten Fernsehmacht täuschen. Sie schauen einfach nicht Fernsehen in Italien.

Udo Gümpel ist Italien-Korrespondent von n-tv.

Udo Gümpel ist Italien-Korrespondent von n-tv.

Am Tage der Abstimmung stieg der Zinsfuß, den Italien für seine Schulden zahlen muss, auf sieben Prozent. Das ist nicht mehr bezahlbar. Das wären 140 Milliarden Euro Zinszahlungen pro Jahr. Unbezahlbar, doppelt so viel wie bisher. Heute weiß jedes Kind in Italien, was der "Spread" ist: Das ist der Abstand zwischen italienischen Schuldpapieren und den Schuldtiteln Deutschlands, der Maßstab aller Euro-Länder. Die Messlatte, das ist Deutschland - weil man den Deutschen glaubt, dass sie die Schulden auch wieder zurückzahlen werden.

Die Uhr tickt

Es ist die Glaubwürdigkeitskrise Berlusconis. Erst haben die Märkte ihm das Vertrauen entzogen, dann kam das Parlament in Rom. Immerhin, acht Abgeordnete der Berlusconi-Partei haben noch alle Sinne beisammen. Ihnen ist Italien wichtiger als das persönliche Schicksal. Sie wissen um die Gefahr.

Das Drama des "Spread" hat Italien seit Monaten mit wachsender Angst verfolgt. Wenn die Messlatte zu hoch wird, ist der Bankrott nah. 90 Tage, so lange hat es bei Irland, Portugal und Griechenland gedauert, bis diese drei Länder den SOS-Ruf abgeben mussten. Seit heute tickt auch für Italien die Uhr. Bleibt Berlusconi an der Macht, muss Italien am 7. Februar Bankrott anmelden. Doch wer hat so viel Geld? Nicht einmal Deutschland.

Nicht die italienische Opposition hat Berlusconi gezwungen, die Absicht des Rücktritts zu erklären. Es ist die zahnloseste Opposition die man sich vorstellen kann. Es sind die Investoren aller Länder, die so verteufelten "Finanzmärkte", die Berlusconi dazu zwingen werden, den Worten auch Taten folgen zu lassen. Wer sind "die Märkte"? Das sind im Prinzip wir alle, die Ersparnisse anlegen. Den Märkten kann Berlusconi keine Posten als Vizeminister anbieten, eine lebenslange Rente als Ex-Abgeordnete, eine Karriere in einer TV-Show. Es interessiert sie nicht, dass er "12 Mädchen in einer Nacht vernascht", dass er Milliardär ist. All das, was Bewunderung in Italien hervorruft, der schlaueste zu sein, derjenige, der am Ende immer den Pokertopf an sich zieht, der sie alle aufs Kreuz legt: All das ist den Märkten schnurzegal. Sie wollen einfach ihr Geld nicht verlieren.

Seit Wochen flüchten die italienischen Anleger, Privatinvestoren wie Banken, aus heimischen Titeln, kaufen Schweizer Papiere und deutsche Schuldscheine. Das ist die Abstimmung, die zählt. Nun wartet ganz Italien mit Bangen auf den 18. November, an dem er sein Versprechen wahr machen muss. Politisch tot ist jetzt schon, nur hingelegt hat er sich noch nicht.

Quelle: ntv.de

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