Zwischenruf Die Opposition als unflotter Dreier
22.06.2011, 15:11 UhrDie Opposition hält in Umfragen gegenwärtig eine überzeugende Mehrheit. Doch weder SPD noch Grüne oder Linke sind fähig, dies in eine klare Strategie münden zu lassen. In eine gemeinsame schon gar nicht.

Der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion Jürgen Trittin (l.) und der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel am 31.05.2010.
(Foto: picture alliance / dpa)
Auch wenn die Grünen bei einen Punkt auf 25 Prozent abgeben mussten - bei anderen Umfrageinstituten waren sie gar nicht so weit gekommen - der dauert an. Erklärbar ist der Höhenflug der Partei weniger durch eigenes Verdienst, denn vielmehr durch die deutsche "Angst", wie sie sogar im englischen Sprachraum genannt wird. Angst vor einer nuklearen Katastrophe à la Fukushima, für die es allerdings vor dem Fast-GAU in Japan ebenso wenig unmittelbaren Anlass gab wie danach.
Wenn die Parteispitze nun auf dem Sonderparteitag am Wochenende dem Atomausstiegskalender der Koalition folgen will, so bedeutet dies keineswegs eine Aufgabe bisheriger Positionen. Vielmehr beharrt die Partei faktisch auf dem Schröder-Fischer-"Atomkonsens" von 2000. Es ist kaum zu erwarten, dass der Gegenentwurf der Basis Chancen hat. Die hat schon ganz andere Kröten geschluckt. Stichwort: Jugoslawien-Krieg. "Stuttgart 21" wird spätestens dann zur akuten Nagelprobe nicht nur für die baden-württembergischen Grünen, wenn die Proteste weiter an Schärfe zunehmen und grünbemützte Polizisten schärfer gegen grünbeherzte Demonstranten vorgehen. Will die Partei weiter oben schwimmen, muss sie sich etwas einfallen lassen: Anti-Atom bis zum Herbst 2013 allein trägt nicht.
Die Bundes-SPD macht derzeit den Eindruck eines Sommerfrischlers, der sich aus der Ferne immer wieder einmal zu Wort meldet, wenn ihm daheim etwas gegen den Strich geht … und sich dann wieder der Erholung widmet. Einzig Peer Steinbrück macht Schlagzeilen mit einer möglichen Kanzlerkandidatur. Das ist herzlich wenig. Die endgültige Befreiung von der Last der Agenda 2010 steht immer noch aus: Denn punkten kann die SPD nur sozial. Es schmerzt die Partei sichtlich, dass sie im Schatten der grünen Sonnenblume steht. Eine grün-rote Konstellation auf Bundesebene aber wäre das Ende der Sozialdemokratie in ihrer bisherigen Form.
Die Linke pendelt sich um die neun Prozent herum ein. Das ist umso erstaunlicher, als die Partei wieder einmal vorrangig mit sich selbst beschäftigt ist. Die sogenannte scheint die Gemüter zurzeit mehr zu beschäftigen als alles andere. Wenngleich die sozialen Probleme Millionen von prekär oder gar nicht Beschäftigen und Hartz-IV-Empfängern auf den Nägeln brennen, dringt die Partei mit ihrer Botschaft nicht bis zu den meisten vor. Ähnliches gilt für die Rente mit 67 und den Krieg in Afghanistan. Beides wird von der Mehrheit der Bundesbürger abgelehnt. Doch parteiinterner Streit lässt offenbar Zweifel aufkommen, dass die Linke auch fähig ist, ihre Zielstellungen durchzusetzen. Besonders in Berlin, wo sie nun schon in der zweiten Legislaturperiode mit der SPD koaliert, offenbart sich vielfach eine Kompromissbereitschaft, die in den Augen vieler Anhänger und Wähler als Verrat erscheint. Hinzu kommen Pesonalfragen: Dem Duo Lötzsch/Ernst hinkt in ihrer Kommunikationsfähigkeit dem Duo Gysi/Lafontaine weit hinterher.
Sozialdemokraten und Grüne haben - im Moment auch ohne die Sozialisten - in Umfragen die Mehrheit in diesem Land. Doch keiner dieses unflotten Dreiers war bislang fähig, dies in eine offensive und glaubwürdige Antistrategie zu übersetzen.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de