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Zwischenruf 302 Die Statistik des Todes

Von Manfred Bleskin

Die Sicherheitslage werde sich nicht über Nacht verbessern, sagte George Casey, der Kommandeur der US-Truppen in Bagdad, nachdem die ersten Soldaten, die Präsident George W. Bush im Rahmen seiner "neuen Strategie" angekündigt hatte, in der irakischen Hauptstadt eingetroffen waren. Insgesamt sollen es 21.500 Mann werden. Damit wären dann über kurz oder lang rund 160.000 US-Soldaten im Zweistromland. Hinzu kommen 11.000 aus Großbritannien und rund 13.000 aus etwa 30 willigen Ländern wie Polen und den Niederlanden oder halbwilligen wie Italien oder Spanien, die bereits mit dem schrittweisen Abzug ihrer Kontingente begonnen haben.

Casey hat Recht: Die Ankunft des neuen Kanonenfutters fällt zusammen mit einem weiteren Anschlag in Bagdad, bei dem am Dienstag mindestens 65 Personen getötet, 236 weitere verletzt wurden. Am selben Tag zählte die Statistik des Todes landesweit 109 Tote. Tags darauf: In Bagdad und im nördlichen Kirkuk "nur" elf Tote, 25 Verletzte. Die UNO teilte mit, allein im vergangenen Jahr seien 35.000 Menschen ums Leben gekommen. Zum Jahreswechsel war die Zahl allein der gefallenen US-Soldaten auf 3.000 angewachsen. Ausgelöschte Menschenleben, die vielfach nur noch als statistische Größe wahrgenommen werden. Die Liste des Grauens ließe sich fortsetzen. Tote über Tote. Und es werden täglich mehr. Und im Weißen Haus zu Washington schwadroniert ein beratungsresistenter Präsident über Demokratie.

Im mecklenburgischen Heiligendamm hat die Bundesregierung mit dem Bau eines 12,5 Millionen Euro teuren Gitterzauns mit Stacheldraht begonnen, um Bush den Anblick der erwarteten 100.000 Demonstranten beim G-8-Gipfel Anfang Juni zu ersparen. Die Millionen wären für ein ziviles Hilfsprogramm an Euphrat und Tigris besser ausgegeben. Denn damit hätte das Kabinett Merkel/Müntefering ein Zeichen gegen die Statistik des Todes gesetzt und eine Statistik des Lebens begründet.

Quelle: ntv.de

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