Zwischenruf Die Zeiten ändern sich
02.08.2008, 14:51 UhrEs war schon sonderbar: Bei jedem Arbeitskampf der Gewerkschaft ver.di war deren Vorsitzender Frank Bsirske zu sehen und zu hören. Auf keiner Maikundgebung fehlte er, war einer der aktivsten Gegner der Hartz-IV-Gesetze und brachte sich damit in offenen Gegensatz zu seiner grünen Partei.
Als mit dem Streik bei der Lufthansa ein Arbeitskampf in einem der sensibelsten Bereiche der Wirtschaft begann, war von Frank Bsirske nichts zu sehen. Er ist nämlich im Nebenberuf stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Kranich-Linie. Das ist zunächst nichts Ehrenrühriges für einen Arbeitnehmervertreter. Die deutsche Mitbestimmungsgesetzgebung verfügt, dass Repräsentanten der Belegschaft mit am Tisch des Kontrollgremiums sitzen. Dies ist im Unterschied zu anderen Industriestaaten wie Großbritannien oder der Schweiz eine große Errungenschaft. Doch sollen sie die Belange ihrer Leute zur Sprache bringen und nicht die der Unternehmerseite oder gar die eigenen. Es ist nichts daran auszusetzen, wenn damit ein paar Vorteile wie in diesem Fall etwa Freiflüge verbunden sind. Doch auf dem Weg in den Urlaub in der ersten Klasse ein Kaviarfrühstück zu genießen, während die Kolleginnen und Kollegen auf Streikposten in eine Wurstbemme beißen, das ist schlichtweg ... unkollegial.
Zugegeben: Es wäre für Bsirske nicht leicht gewesen, auf dem Frankfurter Flughafen mit den Mitgliedern seiner Gewerkschaft einen höheren Lohn zu fordern. Doch gerade dies hätte ihm politische Glaubwürdigkeit verliehen. Nicht zuletzt bestreitet er seinen Lebensunterhalt aus deren Mitgliedsbeiträgen, wenn auch nicht allein, denn auch für den Aufsichtsratsposten gibt’s ein hübsches Sümmchen. Und dann sitzt er auch noch im Aufsichtsrat der Kreditanstalt für Wiederaufbau, die Mehrheitseigner der Pleitenbank IKB ist. Beim Lufthansastreik 2004 war er noch mutiger, The Times are a-changin’. Nicht immer zum Besseren, wie man sieht.
Nun mutet es pharisäerhaft an, wenn ausgerechnet Arbeiterführer wie FDP-Generalsekretär Dirk Niebel Bsirskes Rücktritt fordern. Darüber sollen gefälligst die ver.di-Mitglieder selbst befinden. Bsirske steht mit seinem Unvermögen die Aufgaben als Gewerkschaftsfunktionär und Aufsichtsrat unter einen Hut zu bringen nicht allein da. Ein Klaus Zwickel hatte als Chef der IG Metall auf Kundgebungen die Faust gereckt und als Mannesmannvorstand bei der Abstimmung über die Millionenabfindung für Firmenboss Klaus Esser die Hand unten gelassen. Die Frage ist nicht der Hut als solcher. Die Frage ist, eine proletarische Schmidtmütze oder eine kapitalistische Melone? Der ver.di-Vorsitzende hat sich für ein Basecap gegen die Südseesonne entschieden und sich damit zwischen alle Liegestühle gesetzt. In ein paar Tagen ist er wieder da. Dann wird sich zeigen, ob er noch die Kraft hat, auf den Chefsessel seiner Gewerkschaft zurückzukehren.
Quelle: ntv.de