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Zwischenruf Die spanische Grippe

Ulla Schmidt hat ihrer SPD einen Bärendienst erwiesen. Wie auch immer der Wähler das "Regierungsteam" genannte Schattenkabinett im Einzelnen bewertet, der Schatten der Bundesgesundheitsministerin wird darüber schweben. Da das Prüfergebnis des Bundesrechnungshofes über ihr Dienstwagen-Malheur in Spanien erst in einigen Wochen vorliegt, wird die Zeit bis zum Urnengang nicht mehr reichen, Frau Schmidt einen Persilschein auszustellen. Eine offensive Forderung nach Änderung der Vorschriften, welche die umstrittene Fahrt – sehr wahrscheinlich – formal-legal sogar erlaubten, wäre besser als die halbherzige Verteidigung des Vorfalls. Das Forsa-Umfrageergebnis in dieser Woche ist mit 23 Prozent denkbar schlecht. Fraglich, ob der verschnupfte Bürger bereit ist, der SPD ihre spanischen Grippe zu verzeihen.

Mit seinem Team ist Steinmeier ein Schritt in die richtige Richtung gelungen.

Mit seinem Team ist Steinmeier ein Schritt in die richtige Richtung gelungen.

(Foto: dpa)

Der Ansatz, das Team aus Älteren, Erfahreneren und Jüngeren, weniger Erfahreneren zu formieren, zielt in die richtige Richtung. Der Ausgleich zwischen den Strömungen in der Partei ist gelungen. Zudem: Weder Andrea Nahles als Exponentin des linken noch Peer Steinbrück als Vertreter des rechten Flügels dürften in der jetzigen Lage prononciert mit eigenen Forderungen auftreten. Dazu ist die Parteidisziplin zu groß.

Jung und blond reicht nicht

Die Idee, der sozialdemokratischsten CDU-Ministerin (West) eine junge Sozialministerin (Ost) gegenüberzustellen, ist gut. Aber jung und blond reicht nicht. Das liberale Europa-Starlet Silvana Koch-Mehrin kann ein garstig Lied davon singen. Kompetenz ist gefragt, wenn man Widerpart von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen sein will. Der vakante Posten für Gesundheit hätte mutig mit dem Querdenker und Hobbygriller Karl Lauterbach besetzt werden können.

Zweifelhaft ist, ob Hans Christ, der 37-jährige aus dem Arbeitermilieu, der in fünf Jahren zum Multimillionär wurde, enttäuschten Anhängern der Sozialdemokratie eine Tellerwäscher-Story verkaufen kann. Christs Wettern gegen den „Versorgungsstaat“ dürfte ihm wie ein Klotz am Bein hängen; der Banker gehört wie Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier zu den aktiven Befürwortern der „Agenda 2010“. Dieses Konzept hat die SPD dahin gebracht, wo sie heute steht. Der Schlüsselbegriff der Sozialdemokratie ist die soziale Gerechtigkeit. Wenn sie das den Wählern wieder überzeugend klarmachen kann, dann kann ihr auch keine spanische Grippe mehr etwas anhaben.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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