Zwischenruf Diplomatie mit Biss
19.09.2007, 15:36 UhrVon Manfred Bleskin
Es waren nicht die USA, die nach der Sommerpause den so genannten Atomstreit mit dem Iran wieder auf die Tagesordnung setzten. Aber die neue Quirligkeit der französischen Regierung, die im bundespolitischen Berlin für so manches Stirnrunzeln verantwortlich ist, kommt Washington gerade recht. Dort hat die Administration wegen der Kriege im Irak und in Afghanistan kaum noch Kredit; da macht es sich gut, wieder einmal den Tomahawk zu schwingen.
Nicht etwa, dass Paris bloßer Stichwortgeber für Washington wäre. Präsident Nicolas Sarkozy verfolgt höchst eigene Ziele und möchte sein Land gern zum außenpolitischen Wortführer der Europäischen Union machen. Die französischen Interessen im Iran halten sich in Grenzen, der Warenaustausch ist verschwindend gering. Deutschland und Großbritannien hingegen rangieren in der Ex- und Importstatistik Teherans weit oben.
Dass nun ausgerechnet Außenminister Bernard Kouchner, sozialistischer Dissident und Gründer von "Ärzte ohne Grenzen", einen Krieg mit dem Iran nicht ausschließt, zeigt, wie rasch sich Prinzipien im Rausch der Macht in Luft auflösen können.
Kouchners US-Kollegin Condoleezza Rice greift dessen Vorstoß just in jenem Moment auf, in dem das iranische Regime in eine neue Kurve seines Zick-Zack-Kurses einbiegt und – von Russland unterstützt - ein Moratorium für die Urananreicherung in Aussicht stellt.
Die Kassandrarufe klingen sogar dem Chef der Internationalen Atomenergiebehörde zu laut: Mohammed El-Baradei sagt, vom Atomprogramm des Iran gehe derzeit keine klare Gefahr aus. Er sehe daher "keinen Grund, über die Mittel der Diplomatie hinauszugehen". Das will auf den ersten Blick auch Frau Rice nicht. Sie fordert eine "Diplomatie mit Biss". Sollten damit Bisse französischer Mirage oder US-amerikanischer F-16 gemeint sein, genügt ein Blick auf den Irak, um die Folgen zu erahnen.
Das Dumme ist: Der Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen erlaubt dem Iran die friedliche Nutzung von Kerntechnologien. Dass Präsident Mahmud Ahmadinedschad mehr will, scheint offensichtlich. Nur: nachweisen kann es keiner. So kommt der "Atomstreit" dem nuklearen Populismus Teherans zur Stabilisierung des Mullah-Regimes gerade recht.
Quelle: ntv.de