Union krallt sich an Details Doppelpass offenbart Triumph der SPD
28.03.2014, 15:26 Uhr
Rechts der CDU ist reichlich Platz: Atomkraft, Wehrpflicht, Homoehe - Angela Merkel hat die Politik der Union sozialdemokratisiert.
(Foto: REUTERS)
Die Doppelpass-Pläne der Großen Koalition sind bürokratisch und integrationsfeindlich. Der vermeintlich schlechte Kompromiss offenbart, wie wenig Einfluss rechte Kräfte in der Union noch auf die Politik in Deutschland haben.
Die türkische Gemeinde schimpft, der Zentralrat der Muslime quengelt, selbst aus den eigenen Reihen ertönen Stimmen der Missgunst. Mit ihrem Ja zum Doppelpass-Kompromiss entfesselt die SPD einen Sturm der Kritik. Doch tatsächlich hat die Partei allen Grund, stolz darauf zu sein. Der Kompromiss manifestiert den Triumph sozialdemokratischer Politik über rechte Kräfte in der Union.
Keine Frage: Die Regelung ist nicht perfekt. Sie ist bürokratisch und integrationsfeindlich. Doch bei einem distanzierteren Blick ist das nicht das Entscheidende. Dann nämlich zeigt der Doppelpass-Kompromiss, wie wenig Einfluss konservative Kräfte in der Union noch auf die deutsche Politik haben. Sie krallen sich an eine Detailregelung - den Kampf um das Wesentliche haben sie längst verloren.
C steht nicht für Konservativ
Die Konservativen in der Union haben ein Mantra: Rechts der CDU gibt es keinen Platz für eine andere Partei. Seit Angela Merkel die Truppe führt, kann davon aber keine Rede mehr sein. Atomenergie, Wehrpflicht, Homoehe - unter ihrer Regentschaft näherte sich die Politik der Union mehr und mehr der von Sozialdemokraten und Grünen an. Auch der Satz: "Der Islam ist ein Teil von Deutschland" stammt von einem CDU-Politiker, Ex-Bundespräsident Christian Wulff. Zuletzt scheiterte auch noch die CSU grandios mit ihrer antirumänischen Kampagne "Wer betrügt, der fliegt". Die Bundesregierung verabschiedet einen Bericht, der die Thesen Horst Seehofers zum Sozialtourismus weitgehend widerlegt. Kurzum: Im Jahre 2014 ist rechts der Union reichlich Platz. Die AfD ist nur ein offensichtliches Indiz dafür. Und jetzt wankt auch noch eines der letzten Relikte einer Zeit, in der die Rechten in der Union noch den Ton in der Partei mitbestimmen konnten.
Der Doppelpass-Kompromiss zeigt: Auch die Optionspflicht ist dem Ende geweiht. Künftig, das sieht die Vereinbarung von Justizminister Heiko Maas und Innenminister Thomas de Maizière vor, dürfen die Kinder von Türken, Argentiniern oder Chinesen, die in Deutschland zur Welt bekommen sind, zwei Staatsbürgerschaften tragen.
Bis die letzten Hürden fallen, ist nur eine Frage der Zeit
Allen (irrationalen) Ängsten vor "Dienern zweier Herren" zum Trotz: Die Konservativen in der Union konnten lediglich erreichen, dass die Kinder von Ausländern nachweisen müssen, dass sie mindestens sechs Jahre in Deutschland gelebt haben und hier zur Schule oder in die Berufsausbildung gegangenen sind. Eine Einschränkung, die umso absurder wirkt, je genauer man sie betrachtet. In der Praxis dürfte es nur den allerwenigsten Kindern von Zuwanderern schwerfallen, diese Nachweise vorzulegen. Faktisch ist die doppelte Staatsbürgerschaft etabliert. Der Rest ist Symbolik.
Kritik und Häme sollte die SPD entsprechend gelassen hinnehmen. Bis die letzten bürokratischen Hürden fallen, wird es nicht mehr lange dauern. Und selbst wenn doch, gilt: Wie viele ihrer Grundfesten die Union im vergangenen Jahrzehnt zugunsten sozialdemokratischer Positionen geräumt hat, ist beispiellos in der Geschichte der Bundesrepublik. Das hat der SPD zwar in der Wählergunst wenig genutzt, ideologisch allerdings, ist es ein Sieg.
Quelle: ntv.de