Zwischenruf Ein kleines Signal
28.01.2009, 15:21 UhrIn den Streit um den US-Raketenschild in Tschechien und Polen kommt Bewegung. Der russische Generalstab ließ über die staatliche Nachrichtenagentur RIA Novosti verlauten, die "mögliche" Stationierung von Iskander-Raketen im Raum Kaliningrad sei "lediglich ein Projekt", das "Verteidigungsministerium habe keine praktischen Maßnahmen () ergriffen". Dies ist die erste Geste einer Entspannung in den Beziehungen zwischen Russland und den USA nach dem Amtsantritt von Präsident Barack Obama. Pikanterweise kommt sie aus dem Kreml. Die Mitteilung darf als halbamtlich gelten, ein offizielles Kommuniqu ist sie nicht. Gleichwohl setzt Moskau Washington damit unter Druck.
Obama hat in Sachen Raketenschild bislang stets herumgeeiert. Die Behauptung von Polens Staatschef Lech Kaczynski, er wolle das Projekt weiter mit Nachdruck vorantreiben, ließ der damalige Präsidentschaftskandidat aber dementieren. Nun ist weder die Abschussanlage in Polen samt Kurzstreckenraketenschutz noch die Radaranlage in Tschechien über das Projektstadium hinausgekommen.
Ebenso wenig hat die russische Führung praktische Schritte unternommen, ihre Antwortflugkörper bei Kaliningrad zu dislozieren. Die Bildung einer mit der neuen Präzisionswaffe ausgerüsteten Armeebrigade aber ist abgeschlossen. Die Abschussrampen sind fahrbar, sie gefechtsbereit zu machen ist eine Frage von ein paar Tagen. Die "Iskander" sind mit Tarnkappen-Technologie ausgerüstet, können Ziele in einer Entfernung von bis zu 300 Kilometer bekämpfen und sollen im Flug Ausweichmanöver durchführen können, die für Anfangraketen nicht nachvollziehbar sind.
Die Vereinigten Staaten ihrerseits haben Teile des Raketenschilds bereits in Alaska und auf den Aluten in Stellung gebracht. Von deren westlicher Spitze bis zu den russischen Kommandeursinsel sind es 325 Kilometer. Wollte man sich, wie behauptet, gegen iranische Attacken schützen, wäre der Schild in der Türkei oder Saudi-Arabien besser aufgehoben. Dies gilt analog für die geplanten Standorte in Europa.
Sollte Obama die Pläne zum weiteren Ausbau des NMD auf Eis legen, wäre dies ein Schritt, das Verhältnis zu Russland wieder entkrampfen. Wenngleich sich der Iran durch den Schild weder bedroht sieht noch dessen Raketen eine Bedrohung der USA darstellen, wäre dies zugleich angetan, die Beziehungen zwischen Teheran und Washington zu befördern. Obama jedenfalls hat in seinem Interview für den Dubai-Nachrichtensender Al Arabya anklingen lassen, dass er an besseren Beziehungen zum Iran interessiert ist. Dies käme nicht zuletzt auch den Europäern und namentlich den Deutschen zugute, deren geplante Nabucco-Pipeline neben aserbaidschanischem auch iranisches Erdgas transportieren soll.
Das Zeichen aus Moskau ist ein Signal, das Anlass zu Hoffnung gibt. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de