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Von wegen Willkommenskultur Eine Mahnung für Integrationspolitiker

Jeder fünfte in Deutschland hat einen Migrationshintergrund. In Großstädten wie Berlin ist der Anteil oft besonders hoch.

Jeder fünfte in Deutschland hat einen Migrationshintergrund. In Großstädten wie Berlin ist der Anteil oft besonders hoch.

(Foto: picture alliance / dpa)

Höheres Bildungsniveau, mehr Erfolg auf dem Arbeitsmarkt - vieles an der Studie des Berlin Instituts zur Integration von Zuwanderern klingt gut. Doch für Integrationspolitiker gibt es nur bedingt Grund, sich auf die Schultern zu klopfen.

"Neue Potenziale", so heißt die Studie des Berlin Instituts zur Integration von Zuwanderern in Deutschland. Ein hoffnungsfroher Titel. Und tatsächlich: Das Bildungsniveau der Bürger mit Migrationshintergrund steigt, der Akademikeranteil bei Neuankömmlingen ist sogar höher als bei gebürtigen Deutschen. Auch der Status von Zuwanderern auf dem Arbeitsmarkt verbessert sich. Integrationspolitiker sollten sich trotzdem nicht vorschnell auf die Schultern klopfen. Ein genauerer Blick auf die Untersuchung macht deutlich: Die Fortschritte haben nur sehr wenig mit integrationspolitischen Leistungen zu tun.

In den vergangenen Jahren hat sich die Politik bemüht, so etwas wie eine Willkommenskultur in Deutschland zu schaffen - mit Webseiten wie "Make it in Germany" oder der Blue Card, die es ausländischen Fachkräften erleichtert, in Deutschland zu arbeiten. Der Hauptgrund für den Fortschritt in Deutschland ist aber die wirtschaftliche Lage in Europa.

Wegen der Finanzkrise kamen in den vergangenen Jahren immer mehr hochqualifizierte Zuwanderer aus den nahen Krisenstaaten nach Deutschland - aus Spanien und Italien zum Beispiel. Bestens gebildete, junge und motivierte Menschen zu integrieren, ist aber keine große Kunst - zumindest wenn als Maßstab für die Integration Bildungsniveau und Erfolg auf dem Arbeitsmarkt gelten.

Integrationspolitische Amokläufe

Die Studie zeigt aber auch die andere Seite: Kinder von hochqualifizierten Migranten, die schon länger in Deutschland leben, schaffen es oft nicht einmal, das Bildungsniveau ihrer Eltern zu halten. Und Kindern von geringqualifizierten Zuwanderern fällt es nach wie vor schwer, mit deutschstämmigen Kindern mitzuhalten. Vor allem der Nachwuchs türkischer Gastarbeiter schafft es oft nicht, Anschluss zu finden - obwohl diese Zuwanderungsgruppe schon so lange Teil der deutschen Gesellschaft ist. Ähnlich alarmierende Signale sendet die Studie beim Thema Arbeitsmarkt aus. Auch wenn Zuwanderer aus dem Nahen Osten oder Afrika bestens ausgebildet sind, haben sie nur selten Aussicht auf eine angemessene Anstellung.

Offensichtlich fehlt es an deutschen Schulen noch immer an effektiven Maßnahmen, um migrationsbedingte soziale und kulturelle Unterschiede auszugleichen. Und offensichtlich fehlt es auf dem Arbeitsmarkt an ausreichend Offenheit für Kräfte aus wirklich fremden Ländern. Beides ist bitter.

Dass sich auch die aktuelle Bundesregierung für eine Willkommenskultur ausspricht, ist nur zu loben. Doch auch, wenn man integrationspolitische Amokläufe wie die Debatte über Armutszuwanderung oder die geplanten neuen Gesetze zum Asyl- und Bleiberecht abzieht, gilt: Von einer echten Willkommenskultur kann noch keine Rede sein. Zwar wirbt die Bundesregierung offensiv um Zuwanderer und Zugewanderte. Das Werben beschränkt sich aber noch zu sehr auf ihren wirtschaftlichen Nutzen. Das mag pragmatisch sein und eine grundlegende Akzeptanz in der Gesellschaft fördern, wie es in der Studie heißt. Doch es hat seinen Preis, wenn die Politik Zuwanderer noch immer viel zu selten auch als kulturelle Bereicherung beschreibt. Denn das ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass sich die Zuwanderer der deutschen Gesellschaft öffnen und dass sich die deutsche Gesellschaft den Zuwanderern öffnet.

Dass dies nicht der Fall ist, ist offensichtlich. Nicht umsonst warnen die Autoren der Studie davor, dass die vermeintlich besonders leicht integrierbaren EU-Ausländer die Bundesrepublik schnell wieder verlassen dürften, nämlich sobald sich die wirtschaftliche Lage in ihrer Heimat verbessert hat.

Quelle: ntv.de

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