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Statt doktern am Symptom Endlich wirklich sparen

Der drohende Ärger mit dem Zusatzbeitrag zeigt: Der Gesundheitsfonds kann die Probleme der Krankenkassen dauerhaft nicht lösen. Gesundheitsminister Rösler muss reagieren.

Der Patient ist ernsthaft krank.

Der Patient ist ernsthaft krank.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

An den acht Euro Zusatzbeitrag, den künftig jeder fünfte Krankenversicherte zahlen wird und langfristig sicher noch mancher mehr, lässt sich vor allem eines ablesen: Die Reform des deutschen Gesundheitssystems enthält finanzielle Sprengsätze, die das System über kurz oder lang zum Einsturz bringen werden.

In den zum Januar 2009 gegründeten Gesundheitsfonds fließen die Krankenkassenbeiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, hinzu kommen Steuerzuschüsse vom Bund, die dann wiederum nach einem komplizierten Ausgleichmechanismus auf die verschiedenen Kassen verteilt werden. Wenn das nicht reicht, können die Kassen Zusatzbeiträge bis maximal acht Euro ohne Einkommensprüfung erheben. Soweit die Theorie, nun zur Praxis. Schon die Grundfinanzierung der Kassen hat im vergangenen Jahr ein dickes Minus gebracht, im Gesundheitsfonds fehlten am 31. Dezember 2009 bereits 2,1 Milliarden Euro. Dazu kommen die vier Milliarden Euro, die die Kassen für 2010 bereits eingeplant haben, ohne sie jedoch im Sparstrumpf, auf irgendeiner hohen Kante oder wo auch immer zu haben. Dafür werden nun im großen Stil die Zusatzbeiträge angekündigt.

Neue Konten, neue Probleme

Die wiederum sind aber nur zu einem verschwindend geringen Teil die Lösung des Problems, weil sich gerade in der Gesundheitspolitik gern aus einer Krankheit drei Nachfolgeerkrankungen ergeben. Und so ist es auch diesmal. Denn der Zusatzbeitrag wird nicht etwa mit dem normalen Krankenkassenbeitrag abgeführt, sondern von den Kassen extra eingezogen. Also bekommt jeder Versicherte ein eigenes Zusatzbeitragskonto, auf das per Überweisung oder Einzugsermächtigung das Geld eingezahlt werden soll. Das macht einen Verwaltungsaufwand von rund einer Milliarde Euro; da sind von den acht Euro schon mal zwei weg.

Einzelne Kassen befürchten schon jetzt, dass 15 bis 20 Prozent der Krankenversicherten den Zusatzbeitrag nicht zahlen werden. Dann sollen Mahnverfahren eingeleitet werden, sogar die Pfändung von Gehalt oder Rente wird nicht ausgeschlossen. Ob für acht Euro jemand bei den zuständigen Hauptzollämtern gern tätig werden möchte, sei an dieser Stelle mal dahingestellt, vom Kosten-Nutzen-Aufwand mal ganz zu schweigen.

Sonderfall Hartz IV

Und dann gibt es die erhebliche Zahl der Hartz IV beziehenden Menschen, die den Zusatzbeitrag zunächst auch erst einmal zahlen müssen. Sie können dann beim zuständigen Jobcenter die Übernahme der Zahlung beantragen, schließlich ist der Hartz-IV-Satz nach einem bestimmten Warenkorb ausgerechnet. Das Institut zur Zukunft der Arbeit schätzt, dass der Steuerzahler für die Übernahme dieser Kosten noch einmal mehrere hundert Millionen Euro aufbringen müssen wird. Laut "Bild"-Zeitung gibt es Zeichen, dass der Bund diese Kosten übernehmen könnte. Bei der derzeitigen tiefroten Haushaltslage ist das wohl auch schon egal.  Fairer wäre es allemal.

Auffällig ist auch, dass die Krankenkassen die Zusatzbeiträge recht einhellig genau bis zu jener 96-Euro-Grenze erheben, bis zu der sie ohne weitere verwaltungsaufwändige Einkommensprüfung gehen können. Das brachte sogar die Kanzlerin auf die Palme, die pragmatisch auf die doch zum Teil erheblichen Unterschiede in der Finanzausstattung der Kassen verwies. Ihr Satz "In anderen Fällen wäre das ein Fall für das Kartellamt" darf als deutlicher Bereicherungsvorwurf gewertet werden. Stoppen wird Merkel den Zug mit solchen moralischen Erwägungen dennoch nicht.

Es kommt immer schlimmer

Wenn das dann alles so gekommen ist - manche haben gezahlt, andere nicht, die Jobcenter zahlen für Hartz-IV-Bezieher, die einen Antrag stellen, andere sparen noch ein bisschen mehr und kratzen die acht Euro selbst zusammen - dann erheben die ersten Kassen Zusatzbeiträge mit Einkommensprüfung, irgendwann sind wir beim Höchstsatz von 37,50 Euro. Der Arbeitgeberanteil am Krankenkassenbeitrag wird eingefroren, während die Krankenkassenbeiträge für Arbeitnehmer immer weiter steigen. Die Besserverdienenden machen ihre Beiträge zur Krankenversicherung ebenso wie den Zusatzbeitrag bei der Steuererklärung als Sonderausgabe geltend, die Geringverdiener schultern die Belastungen selbst mit weniger netto vom brutto. Parallel werden die Kosten im Gesundheitswesen weiter steigen.

So steigt der Druck auf Gesundheitsminister Rösler, bei der Reform der Reform endlich einmal dort anzusetzen, wo Kosten wirklich zu senken sind: Bei Apothekern und  Arzneimittelpreisen, bei Ärzten und Kliniken und nicht zuletzt bei der Gesundheitsbürokratie - bevor das ganze System kollabiert.

Quelle: ntv.de

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