Schlands Hymne Entweder gehört man dazu - oder eben nicht
08.07.2014, 12:44 Uhr
Die einen singen, die anderen nicht. Dann wird Fußball gespielt.
(Foto: picture alliance / dpa)
Wenn heute Abend im Estadio Mineirão die deutsche Hymne erklingt, werden ein paar Spieler nicht mitsingen. Viele Menschen in Deutschland werden sich darüber aufregen. Sie sollten mal einen Blick auf die Kanzlerin werfen.
Lukas Podolski, Mesut Özil, Sami Khedira und Jérôme Boateng singen nicht mit, wenn vor Länderspielen die Nationalhymne erklingt. Es gibt Leute, die sich darüber aufregen und ihre Verärgerung in sozialen Netzwerken ventilieren. Auch Politiker, die als Konservative wahrgenommen werden möchten, äußern sich entsprechend. "Die Spieler treten für Deutschland an", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière vor der WM. "Ich würde mich freuen, wenn sie sich mit der Hymne zu ihrem Land bekennen."
Warum ist es so schwer, Unterschiede zu ertragen? Wie Khedira und Co. ihr Verhältnis zu Deutschland definieren, geht de Maizière und den Rest der hiesigen Öffentlichkeit so viel an wie ihre Heiratspläne oder wie viele Kinder sie mal haben wollen - nichts. Wenn sie dennoch in Interviews davon erzählen, kann es sein, dass dabei ein paar interessante Sätze herauskommen. Aber eine Frage sollte tabu sein - nicht weil sie politisch inkorrekt wäre, sondern weil sie dämlich ist. Die Frage lautet: Lieben die Kicker mit Migrationshintergrund Deutschland auch wirklich doll genug, um für die Nationalmannschaft spielen zu dürfen?
Während der WM in Südafrika sagte Khedira: "Ich bin der Meinung, dass ich nicht mit Singen irgendetwas vorspielen oder künstlich demonstrieren muss." Recht hat er. Er hat dann noch hinzugefügt, dass er auch deshalb nicht singe, weil er Respekt vor seinem "zweiten Heimatland" habe "und vor dem Teil meiner Familie, der dort noch lebt". Vielleicht hat er versucht, ein Gefühl auszudrücken, das sich schwer in Worte fassen lässt. Etwas weniger verschnörkelt hat Shkodran Mustafi unlängst gesagt, er fühle sich "eher albanisch als deutsch". Gesungen hat er später trotzdem. Auch das kommt vor.
Es ist doch ganz einfach: Wer singen will, soll singen, wer nicht singen will, singt nicht. Für alle, die das noch immer nicht kapiert haben, sei auf die Bundeskanzlerin verwiesen. Die singt immer, das muss sie wohl auch. Sie singt im Stadion und bei Feierstunden im Bundestag, sie singt nach jedem Parteitag ihrer CDU, denn das ist dort so üblich. Aber im vergangenen September hat sie etwas getan, das dem Nichtsingen von Podolski, Özil und den anderen sehr nahe kommt.
Am Abend der Bundestagswahl, bei der ihre Partei so richtig abgeräumt hatte, stand sie mit anderen Politikern der CDU auf einer Bühne im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin. Sie freute sich, ihre Kollegen feierten zu "Tage wie diese" von den Toten Hosen, auch Deutschlandfahnen wurden geschwenkt. Kurzum: Ein bisschen herrschte Fußballstimmung. Als der damalige CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, der neben Merkel auf der Bühne stand, sich eine Fahne schnappte, nahm Merkel ihm den schwarzrotgoldenen Stoff aus der Hand und reichte ihn von der Bühne herunter. Ihr Blick sagte: Blöde Idee, lass' das mal.
Vielleicht fühlte Merkel sich an die Winkelemente auf den Umzügen in der DDR erinnert. Vielleicht wollte sie nicht zu triumphal auftreten; schließlich war klar, dass sie einen neuen Koalitionspartner brauchen würde. Vielleicht wollte sie Bilder vermeiden, die in anderen europäischen Ländern ungute Gefühle auslösen könnten. Vielleicht war ihr dieses nationale Brimborium einfach zu viel. Der Punkt ist: Es ist interessant, über Merkels Motive nachzudenken, doch was auch immer der Grund für ihr Handeln war: Es ist völlig egal. Wer schwenken will, soll schwenken, wer singen will, soll singen. Das Schöne an Schland ist: Wer keine Lust darauf hat, der lässt es eben. Wer das nicht kapiert, gehört nicht dazu.
Quelle: ntv.de