Schlussakt bei den Regelsätzen Es ist ein Trauerspiel
08.02.2011, 11:26 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Vordergründig geht es beim Streit um die Hartz-IV-Regelsätze um drei Konflikte: wie sie errechnet wurden, ob Mindestlöhne sinnvoll sind, und wer für das Bildungspaket zahlt. Doch dahinter steckt ein Trauerspiel mit unterschiedlichen Drehbüchern.
So viel Inszenierung war selten. Im Dezember bringt Arbeitsministerin Ursula von der Leyen selbst gebackene Kekse in den Vermittlungsausschuss, im Januar behauptet sie, dass inzwischen "keiner mehr" bestreite, dass die Berechnung der Regelsätze verfassungsfest sei. Jetzt mahnt sie, man müsse sich "auf das Wesentliche der Reform konzentrieren".
Auch die Opposition hat sich an dieser Aufführung beteiligt. Keinesfalls könne man eine neue Ohrfeige vom Bundesverfassungsgericht riskieren, sagt SPD-Verhandlungsführerin Manuela Schwesig. Es ist das Mantra der SPD, die sich scheut, offen eine Erhöhung der Regelsätze zu fordern.
Soll dieses Argument jedoch mehr sein als eine rhetorische Figur, können SPD und Grüne den schwarz-gelben Regelsätzen nicht zustimmen - egal, was an anderer Stelle geboten wird. Um Rot-Grün eine Zustimmung doch zu ermöglichen, müsste die Bundesregierung zumindest symbolisch einknicken und etwa die sogenannten Aufstocker aus ihrer Berechnung herausnehmen. Das würde zwar Geld kosten, wäre aber sehr nachvollziehbar: Wenn die Einkommen von Hartz-IV-Beziehern Einfluss auf die Höhe des Regelsatzes haben, stimmt etwas nicht. Dass von der Leyen hier stets kategorisch jede Bewegung ausgeschlossen hat, ist der Kern ihres Scheiterns.
Regelsätze versus Mindestlohn

Traute Zweisamkeit - wenn's mal so wäre: Verhandlungspartnerinnen Manuela Schwesig und Ursula von der Leyen.
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Zugegeben, der Streit ist kompliziert. Schwarz-Gelb und Rot-Grün haben mittlerweile ganz eigene Interpretationen von den Vor- und Nachteilen ihrer seinerzeit gemeinsam eingeführten Sozialreform. Beide Lager sehen den Abstand der Grundsicherung zu den geringen Einkommen als zentrales Problem. Union und FDP wollen dieses Dilemma lösen, indem sie die Regelsätze so niedrig wie möglich halten, SPD und Grüne, indem sie einen Mindestlohn einführen. In der Sache wäre eine Einigung zumindest für die Zeitarbeitsbranche sicherlich möglich. Problematisch jedoch ist die Verknüpfung von Mindestlöhnen und Hartz IV aus Sicht von Schwarz-Gelb: Gibt es hier eine Einigung, hätten SPD und Grüne ihren Grundgedanken durchgesetzt. Eine Kröte für die Union, ein Alptraum für die FDP.
Die Frage der Finanzierung des Bildungspakets ist nur theoretisch leichter lösbar. Zuständig sind die Kommunen, die dafür jedoch an anderer Stelle entlastet werden müssen. Nur wie? Die Bundesregierung hat angeboten, die Grundsicherung armer Rentner zu übernehmen. Dies hatte Finanzminister Schäuble den Kommunen allerdings schon im November für ein Entgegenkommen bei der Reform der Gemeindesteuern in Aussicht gestellt.
Ein Ende der Inszenierung ist überfällig, der Vorhang hätte eigentlich schon im Dezember fallen sollen. Nun schaltet sich die Kanzlerin ein. Zeit wird es, denn eine gemeinsame Linie der Koalition ist in Verhandlungen mit der Opposition kein Schaden. Zwar bleibt es unwahrscheinlich, dass aus diesem Trauerspiel noch eine Komödie mit glücklichem Ende wird. Zu sehr sind die Rollen fixiert. Doch allein aus Gründen der Übersichtlichkeit wäre es wünschenswert, wenn Union und FDP wenigstens im Schlussakt nach dem gleichen Drehbuch spielen.
Quelle: ntv.de