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Zwischenruf "Etwas ist faul im Staate Dänemark"

Dänemarks Entscheidung zur Wiedereinführung der Grenzkontrollen ist Ausdruck einer tiefen Krise in der EU. Sie reicht von der Währungs-, Finanz- und Außenpolitik bis hin zu autoritären und rassistischen Elementen in der Regierungspolitik mancher Mitgliedsstaaten.

(Foto: dpa)

Die Dänen waren nie sonderlich enthusiastische Europäer, fanden spät den Weg in die Gemeinschaft und halten an der Krone fest, nicht nur an der von Königin Margrethe II. Das rührt nicht zuletzt aus der Furcht vieler Bewohner der einstigen nordischen Großmacht vor ausländischer Vereinnahmung her. Im Zuge krisenhafter Entwicklungen und einer verstärkten Zuwanderung von Menschen, die sich durch das effiziente Sozialsystem angezogen fühlte, gewannen Nationalismus und Rassismus immer mehr an Boden. Dies bildete den idealen Nährboden für politische Sumpfblüten in Gestalt von Pia Kjærsgaard. Ihre Dansk Folkeparti (DF) konnte ihre Sitze im Folketing vor allem dank eines maßlosen Ausländerhasses seit 2001 nahezu verdoppeln.

Der Ausländeranteil in Dänemark beträgt rund zehn Prozent. Davon stammen die meisten aber aus westlichen Staaten. Im Zuge der Krise um die Mohammed-Karikaturen erhielt der Hass auf islamische Zuwanderer zusätzliche Nahrung. Heute hängt die rechtsliberale Minderheitsregierung von Staatsminister Lars Løkke Rasmussen vom Wohlwollen der Rechtspopulisten ab. Der Beschluss zur ist das Ergebnis eines Schachers zwischen der regierenden Venstre und der DF. Die Kjærsgaard-Truppe stimmte einer restriktiveren Vorruhestandsregelung erst zu, als die Venstre in Sachen "grænsekontrollen" einknickte.

Es ist fraglich, ob die Dänen diese Politik langfristig billigen. International agierende Großkonzerne bemängeln Schwierigkeiten beim Absatz in muslimischen Staaten und fehlende Bereitschaft zur Zuwanderung von Fachkräften. Die Wiedereinführung der Grenzkontrollen an Dänemarks Grenzen muss aber nicht unumkehrbar sein.

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Jüngsten Umfragen zufolge würde bei den für Herbst anstehenden Wahlen zum Folketing der "rote Block" 54 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen. Darunter subsumiert man bei unseren nördlichen Nachbarn Sozialdemokraten, Volkssozialisten und Ex-Kommunisten der Rot-Grünen Einheitsliste. Eine Abwahl der jetzt in Schloss Christiansborg Regierenden könnte ein Zeichen setzen gegen den Rechtstrend im demokratischen Europa. Spätestens dann wird Shakespeares Horatio, statt Fäulnis zu beklagen, wieder "Freund dieses Bodens" sein.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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