Zwischenruf Finsterstes Mittelalter in Pakistan
01.03.2011, 16:06 Uhr
Als der christliche Minister für Minderheiten, Shahbaz Bhatti, in die Klinik eingeliefert wird, ist er schon tot.
(Foto: AP)
Der Mord an Pakistans einzigem christlichem Minister zeigt einmal mehr: das Land ist fern von demokratischen Verhältnissen, immer mehr wenden sich dem sunnitischen Fundamentalismus zu.
Der Mord an Pakistans Minister für Minderheiten wirft ein besorgniserregendes Schlaglicht auf die Atommacht: Eine schwache Regierung laviert zwischen allen Strömungen des Islam, dem Anspruch, als Demokratie zu gelten und dem Druck des Verbündeten USA. Wie weit Pakistan von demokratischen Verhältnissen entfernt ist, zeigt das sogenannte Blasphemiegesetz, das für "Gotteslästerung" die Todesstrafe vorsieht. Das ist finsterstes Mittelalter. Es ist bereits das zweite Mal, dass offenkundig radikalsunnitische Terrorristen einen Inhaber dieser Funktion erschießen. Dass Shahbaz Bhatti als Kabinettsmitglied Katholik war, unterscheidet Pakistan vom wahhabitisch-fundamentalistischen Saudi-Arabien. Dass ein solcher Mann – wie auch Salman Taseer, liberaler Gouverneur der Provinz Punjab - auf offener Straße umgebracht werden kann, zeigt, wie wenig verschieden die radikalen Muslime in Pakistan von den Betonköpfen in Riad sind.
Mehr als 95 Prozent der etwa 162 Millionen Einwohner des Landes sind Muslime. Immer mehr wenden sich dem sunnitischen Fundamentalismus zu. Das ist das Ergebnis einer fortdauernden Unfähigkeit des Staates, die drängenden sozialen Probleme einer Lösung zuzuführen. Die Einkommensschere klafft immer weiter auseinander, Kinderarbeit ist an der Tagesordnung, die Hälfte der Menschen gilt als Analphabeten, das Gesundheitswesen liegt danieder. Da nehmen Verzweifelte gern die sozialen Dienste religiöser Kreise an und schicken ihre Kinder auf Koranschulen, die vielerorts Brutstätten und Rückzugsgebiete islamistischer Terrorgruppen sind.
Die islamische Welt ist in Bewegung geraten. Wohin die Entwicklung führt, ist völlig offen. Auch und besonders in Pakistan, das über die Atombombe verfügt.
PS: Seit dem 1. Januar 2010 gilt übrigens auch im EU-Mitgliedsstaat Irland ein verschärftes Blasphemiegesetz. Wer Gott lästert, kann zwar nicht mit dem Tode bestraft werden, sondern muss gegebenenfalls 25.000 Euro Strafe zahlen.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de