Zwischenruf 327 Gefährliches Kräftemessen
26.03.2007, 22:37 UhrVon Manfred Bleskin
Mit der Festnahme von 15 britischen Marineangehörige durch iranische „Revolutionsgardisten“ droht dem Irakkrieg eine kreuzgefährliche Eskalation: Erstmals geraten Besatzungstruppen in einer Weise mit einem Nachbarn des Zweistromlandes aneinander, dass eine militärische Konfrontation nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Zwar hatte es immer wieder Reibereien mit Syrien gegeben, die aber folgenlos blieben, zwar hatte es 2004 einen ähnlichen Fall gegeben, doch damals hieß der Präsident des Iran nicht Mahmud Ahmadinedschad, sondern Mohammad Chatami. Die Briten kamen nach ein paar Tagen wieder frei. Auch hatte der Atomstreit noch nicht jene Ausmaße angenommen wie heuer.
Es ist müßig, darüber zu sinnieren, ob sich die Briten in iranischen Hoheitsgewässern befanden oder auf der irakischen Seite des Schatt al-Arab. Um die Grenzziehung des Zusammenflusses von Euphrat und Tigris, der hinter der irakischen Südmetropole Basra in den Golf mündet, hatte es immer wieder Streit und von 1980 bis 1988 sogar Krieg zwischen den beiden Ländern gegeben. Es entbehrt nicht einer bitteren Ironie, dass das Vereinigte Königreich als ehemalige Kolonialmacht entscheidend an der Grenzziehung beteiligt war. Zunächst war die einstige Kolonie Irak mit dem gesamten Fluss bis ans iranische Ufer bedacht worden. Dadurch war der Iran gezwungen, für die Durchfahrt von Schiffen Gebühren an Bagdad zu entrichten. Später wurde die international übliche Grenzziehung in der Flussmitte vertraglich festgelegt, von Iraks damaligem Machthaber Saddam Hussein aber wieder aufgekündigt, um anschließend wieder anerkannt zu werden.
Geblieben ist der Streit um das Gebiet, denn die Kontrolle des Schatt al-Arab ist von enormer strategischer Bedeutung. Hinzu kommt, dass auf iranischer Seite die mehrheitlich arabisch besiedelte Provinz Khusistan liegt, wo es immer wieder zu Unruhen kommt. Teheran wirft London vor, arabische Aufständische zu unterstützen. London beschuldigt Teheran, im Irak schiitische Insurgenten mit Waffen zu versorgen. Ersteres ist schwer nachprüfbar, aber nicht unmöglich. US-Soldaten jedenfalls haben mindestens fünf iranische „Revolutionsgardisten“ in ihrer Gewalt, die kürzlich im Zweistromland aufgegriffen worden waren. Nicht zuletzt dies veranlasste US-Präsident George W. Bush, seinen Soldaten eine Lizenz zum Töten auszustellen, sollten sie im Irak auf iranische Agenten stoßen.
Britanniens Premier Tony Blair ist da besonnener. Er will eine Lösung auf diplomatischem Wege herbeiführen. Der Iran gewährt, entgegen dem Völkerrecht, britischen Diplomaten keinen Zugang zu den gefangen gehaltenen Marineangehörigen und hält deren Aufenthaltsort geheim. Die einzige Auskunft: Es ginge ihnen gut. Möglicherweise fürchtet das Mullahregime eine Kommandoaktion. Unbeschadet der Tatsache, dass sich britische Soldaten ja auch nicht gerade völkerrechtskonform im Irak aufhalten, legt es Teheran auf ein Kräftemessen an, dass gefährliche Folgen haben kann.
Sollte es der iranischen Führung darauf ankommen, ihre in US-Gewahrsam befindlichen Agenten freizupressen, kommt es zu einem Austausch a la Glienicker Brücke. Sollten die britischen Militärangehörigen, unter ihnen eine junge Mutter, aber wegen Spionage vor Gericht gestellt werden, droht ihnen die Todesstrafe. London wäre zu einer drastischen Reaktion nachgerade gezwungen. So zynisch es klingt: Dies würde Blair einen Teil der Sympathien zurückbringen, die er in der Öffentlichkeit seines Landes durch die Kriegstoten im Irak verloren hat.
Bleibt die Hoffnung, dass auf beiden Seiten die Vernunft obsiegt. So unvernünftig ihre Politik eigentlich ist.
Quelle: ntv.de