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Zwischenruf Gras über den Schienen

Je länger der Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) dauert, desto häufiger und lauter die Warnungen, die Aktionen würden schweren volkswirtschaftlichen Schaden anrichten. Vor allem nach der Ausweitung des Ausstands auf den Personenfern- und Güterverkehr. Zuletzt von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundeswirtschaftsminister Michael Glos.

Die Warnungen sind berechtigt. Aber nur bedingt. Einer Umfrage des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik zufolge nutzen mehr als zwei Drittel der Unternehmen die Schiene gar nicht. 71 Prozent der Firmen geben an, der Schienengüterverkehr spiele in ihrem Logistiksystem keine Rolle.

Zwar nahm die Verkehrsleistung auf der Schiene allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 2007 um 10,5 Prozent zu. Experten gehen aber beim Straßengüterverkehr – auf das ganze Jahr gerechnet – zugleich von einer Zunahme um bis zu sieben Prozent aus.

Eine untergeordnete Rolle spielt die Bahn auch im Personenverkehr. Im Gesamtverkehr entfallen mehr als 82 (!) Prozent auf die Personenkraftwagen.Den Rest teilen sich die Schiene einschließlich der S- und U-Bahnen, der öffentliche Straßenverkehr und der Luftverkehr.

Die Entwicklung der Verkehrsinfrastrukturen hinkt der Entwicklung von Produktion und Warenaustausch in dramatischer Weise hinterher. Regionaler Mangel an Erwerbsmöglichkeiten erfordert eine immer höhere Mobilität. Mit anderen Worten: Die Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsplatz wird immer größer. Der Spritverbrauch auch.

Wo dereinst der Zug an jedem Milchbock hielt, wächst heute Gras über die Schienen. Die Absicht, jeglichen Verkehr weitestgehend von der Straße auf die Schiene zu verlagern, ist gescheitert. Das Ergebnis schadet Mensch, Tier und Natur. Allein in Deutschland werden die Kosten auf mehr als 130 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Sollten die Pläne zur Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG doch noch Wirklichkeit werden, steht zu befürchten, dass der Abbau von Regionalverbindungen weitergeht. Diese Schäden wiegen weitaus schwerer als die Kurzzeitwirkungen der Bahnstreiks.

Quelle: ntv.de

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